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Wien nach Luther. – So die Ergänzung des Titels der Ausstellung im Wien Museum. Es geht also um die Reformation, die die vehemente Kritik an der katholischen Kirche und ihren Praktiken mit sich brachte. Ein Thema, das auch heute noch aktuell ist. Nicht zuletzt darum ist VIENNARAMA wieder einmal sicheren Schritts quer über den Karlsplatz gepilgert.

 

Ab ins Fegefeuer!
Genau dieses Gefühl haben wir, als wir das Wien Museum betreten. Denn der Ausstellungseingang im EG gestaltet sich als Maul einer Kreatur, in der nackte Menschen augenscheinlich Höllenqualen leiden. Während wir dies verarbeiten, fällt unser Blick auf eine aufgestellte Fläche neben dem Eingang. „Was sind die brennenden Fragen unserer Zeit?“, steht da, und „Schüler_innen haben Thesen dazu formuliert…“. Die angebrachten Post-it-Thesen könnten unterschiedlicher nicht sein: „Hat sich dein Leben gelohnt?“ findet sich neben „Liebt Gott jeden? Auch wenn wir ihm Schuld zuteilen?“. Aber auch „Ist die Schule das Leiden wert?“ finden wir legitim. Schmunzelnd wenden wir uns der Ausstellung zu.

Das alte Landhaus in der Herrengasse, ein wichtiges Zentrum der Protestanten (historische Darstellung aus dem 19. Jhdt.)
Das alte Landhaus i. d. Herrengasse, wichtiges Zentrum der Protestanten (historische Darstellung aus dem 19. Jhdt.)

Rebell Martin Luther
Würde Martin Luther heute leben, so würde er wahrscheinlich eine Ringstraßendemo organisieren. Da Aufstand zu jener Zeit aber nicht üblich war, war die Verbreitung seiner 95 (!) Thesen gegen den Ablasshandel (Briefe und Seelenmessen zur Sündentilgung) 1517 noch ein wahrhaft rebellischer Akt, der ihm nicht zuletzt auch die „Vogelfreiheit“ einbrachte. Was poetisch klingt, war ein Todesurteil: jeder durfte ihn auf offener Straße ermorden, mit Erlaubnis des Kaisers. Trotz Wissen um die Brisanz seines Handelns – die Kirche galt als unantastbarer Arm Gottes – stand Luther für seine Thesen ein, die vor allem eines kritisierten: für den Sündenerlass Geldmittel einzufordern oder Bedingungen zu stellen. Diese Gepflogenheit können wir auch Altar-Ölbildern und Reliquienverzeichnissen entnehmen.

Ein protestantischer Prediger reicht in einem privaten Haushalt das Abendmahl. Die Hostien sind in einer Puppe versteckt.
Ein protestantischer Prediger reicht in einem privaten Haushalt das Abendmahl (Hostien in Puppe versteckt).

Flyer für das Volk
Es heißt, Luther war ein Mann des Volkes. Dementsprechend bemühte er sich auch um die Zielgruppe „Volk“. Das gemeine Volk sprach kein Latein – ja, die meisten konnten nicht einmal lesen. Die Bibel war allerdings nur in lateinischer Sprache erhältlich, und sehr teuer. Das Volk war also auf die Predigt der Priesterschaft angewiesen, die nicht direkt auf die Grundlage der Heiligen Schrift überprüft werden konnte. So verbreitete Luther Flugblätter mit großen Bildern, die beispielsweise die Unterschiede eines katholischen und evangelischen Gottesdienstes darstellen sollten. Auch die ersten Selfies verbreitete Luther im Volk – so finden sich Portraits (Kupferstiche) in verschiedenen Posen, die dem Zwecke der Bekanntheit und Identifikation dienten.

Der Augsburger Religionsfriede 1555, Original mit Unterschrift Ferdinands I.
Der Augsburger Religionsfriede 1555, Original mit Unterschrift Ferdinands I.

„Jeder Christ, der wirklich bereut, hat Anspruch auf völligen Erlass von Strafe und Schuld, auch ohne Ablassbrief.“
So eine der zentralen Thesen, die der Kirche missfielen. Sie forderte Luther zur Rücknahme der Thesen auf, der er nicht nachkam. Ein Gönner bot ihm dennoch Unterschlupf. In dieser Zeit übersetzte er die Bibel erstmals in ein volksnahes Deutsch, die rasch verbreitet wurde. Die Druckerpresse, die sich in einer Ecke der Ausstellung befindet, zeugt von den neuen Möglichkeiten. Doch nicht nur Luther wurde verfolgt. Viele Exponate versuchen den ständigen Zwist zwischen katholischer und evangelischer bzw. protestantischer Fraktion, die viele Anhänger fand, zu veranschaulichen. Als Meilenstein findet sich eine Ausgabe des Augsburger Bekenntnisses 1530, in dem erstmals die gemeinsame Lehrgrundlage aller evangelischen Reichsstände festgehalten wurde. Aber auch Tonfiguren, Abendmahlgerätschaften und Aufzeichnungen zur Stadt Wien generell wurden zusammengetragen.

Ansicht von Hernals, "Auslaufen" der Wiener Protestanten zum Gottesdienst in die evangelische Hochburg, 1649
Ansicht von Hernals, „Auslaufen“ der Wiener Protestanten zum Gottesdienst in die evangelische Hochburg, 1649

VIENNARAMA-Fazit: Wie man eigentlich vermuten könnte, lebt eine Ausstellung, die sich mit Glauben beschäftigt, mehr von Ideellem und geschichtlichem Hintergrund als von Heiligenbildern und Dokumenten. Dementsprechend trocken gestaltet sich das reine Betrachten. Die Informationen hingegen sind alles andere als langweilig. Dank einer lebhaften Führung wurde die Reformation für uns erstmals greifbar und auch Wien als Stadt des 16. Jahrhunderts können wir uns nun vorstellen. Unsere Empfehlung: Ausstellung + Führung = Top!

Brennen für den Glauben – zu sehen bis 14.05. im Wien Museum!

Wien Museum
Karlsplatz 8
1040 Wien
Weitere Informationen

Fotocredits: Wien Museum, Wienbibliothek im Rathaus,  Österreichisches Staatsarchiv

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