Frauen…was? Richtig gelesen. Frauenwahlrechtabschaffungszentrale. Eine neue politische Strömung? Provokation? Kunst? VIENNARAMA-Gründerin Hannah wollte genau wissen, was sich hinter der ominösen Zentrale verbirgt und hat die beiden Schauspielerinnen und Gründerinnen der Zentrale, Eva Puchner und Susanne Preissl, zum Gespräch gebeten.
Performancekünstlerinnen und das Frauenwahlrecht
Frauenwahlrechtabschaffungszentrale. Das nennen wir eine Ansage. Dass man den Namen des Kunstprojekts der beiden Schauspielerinnen und Kulturmanagerinnen nicht gleich für bare Münze nehmen darf, haben wir vermutet beziehungsweise gehofft. Aber eines haben sie auf alle Fälle geschafft – wir sind neugierig geworden. Deswegen haben wir die beiden Powerfrauen, die als Künstlerduo „Brutpflegerinnen“ gemeinsame Sache machen, getroffen und müssen sagen, so provokativ und gleichzeitig charmant hat noch nie jemand versucht das Frauenwahlrecht abzuschaffen. Oder doch nicht?
Wie habt ihr euch kennengelernt und wann habt ihr beschlossen gemeinsame Sache zu machen?
Wir haben uns vor drei Jahren beim Studienlehrgang „Kulturmanagement“ am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies an der Universität für Musik und darstellende Kunst kennen gelernt. Während des Studiums haben wir bemerkt, dass wir ähnliche Visionen und Vorstellungen von darstellender Kunst haben. Und dass wir beide lieber etwas Eigenes auf die Beine stellen würden, als in eine bestehende Institution ‚eingegliedert‘ zu werden. Nach ein paar kleinen Try-Out-Projekten im Rahmen der universitären Institution, bei denen die Zusammenarbeit auf künstlerischer und freundschaftlicher Ebene gut geklappt hat, haben wir uns zusammengetan.
Wieso ist euch die Förderung des Individuums und der Gesellschaft so wichtig?
Kunst kann viele Funktionen erfüllen. Kunst als Impuls für gesellschaftliche Veränderungen sehen wir als besonders wertvoll. Da wo Politiker_innen resignieren und Ratschläge von Expert_innen verhallen, kann Kunst handeln, indem sie sichtbar macht und laut ihre Stimme erhebt. Manchmal ist der Sog, der dadurch entsteht, so stark, dass neue Energien mobilisiert werden können. So gesehen ist Kunst auch ein Stück weit Revolution.
„Unsere Vision ist es, den öffentlichen Raum mit künstlerischen & politischen Aktionen zu erobern.“ Wie macht ihr das?
Der Schritt, Theater/Performances an öffentlichen – meist auch unüblichen Orten – stattfinden zu lassen und raus aus den Theaterinstitutionen zu gehen, ist für uns ein befreiender Akt. Dadurch wollen wir Menschen, die normalerweise nicht partizipieren, am Kunstgeschehen teilhaben lassen und politisch relevante Themen mitten in der Gesellschaft platzieren.
Dafür wählen wir unterschiedliche Herangehensweisen, wie die Auswahl der Orte oder das Miteinbeziehen der Bevölkerung. Für unser nächstes Projekt zum Beispiel gehen wir mit einem schrillen Container auf den Karlsplatz, Ausgang Resselpark, wo wir viele unterschiedliche Menschen erreichen können. Die Performance ist so konzipiert, dass wir Passant_innen miteinbeziehen werden. In weiterer Folge ermöglichen uns Workshops und politische Diskurse einen direkten Austausch mit der Bevölkerung.

Euer aktuelles Projekt ist die „Frauenwahlrechtabschaffungszentrale 2018“ – ein Titel, der schon neugierig auf mehr macht, was steckt dahinter und wie seid ihr auf die Idee dieser Zentrale gekommen?
Frauenrechte sind ein Themenkomplex, der uns stark beschäftigt. Als wir dann vor zwei Jahren mitbekommen haben, dass es im Jahr 2018 seit 100 Jahren das Frauenwahlrecht in Österreich gibt, wussten wir, dass wir dazu ein Projekt machen wollen. Damals war die Bundespräsidentenwahl im Gange und ganz Österreich im Wahlfieber. Die Flüchtlingsthematik wurde in dem Wahlkampf ja stark instrumentalisiert. Oft aufgegriffen wurden die Silvesternacht in Köln und die Vergewaltigung einer Frau am Praterstern. Plötzlich tauchten Stimmen auf, die „unsere Frauen“ vor den Flüchtlingen schützen wollten. Und da kam uns, inspiriert von den polemischen Aussagen der FPÖ folgender Gedankenschluss: Frauen wählen statistisch erwiesen liberaler als Männer. Also Politiker_innen, die Flüchtlinge ins Land lassen. Daher sollten wir „unsere Frauen“ vor ihnen selbst schützen, indem wir ihnen das Frauenwahlrecht wieder entziehen! 100 Jahre sind genug! Zum Schutz unserer Frauen & Kultur fordern wir die sofortige Abschaffung des Frauenwahlrechts!
Was ist eure Message bzw. das Ziel der Aktion? Wieso ist es heutzutage so wichtig darauf hinzuweisen, dass Rechte nicht selbstverständlich sind?
Wir haben einen Workshop zum Thema Frauenwahlrecht in der Berufsschule für Gartenbau & Floristik abgehalten. Dabei haben wir mit den Berufsschüler_innen eine Timeline aufgezeichnet. Was waren die Stimmen vor 1918, welche Rechte haben Frauen seither erlangt, und welche frauenfeindlichen Stimmen gibt es heute noch. (1948: erste weibliche Bürgermeisterin, 1975: Frauen dürfen ohne Zustimmung des Mannes arbeiten. 1989: Die Vergewaltigung in der Ehe wird strafbar). Dabei haben die Schüler_innen und wir begriffen, 100 Jahre, das ist keine lange Zeit! Und leider waren sich die Schüler_innen bei der Zuordnung der Stimmen (=Zitate von Politiker_innen) 1918/2018 nicht sicher! Manche Aussagen hätten sie 1918 zugeordnet, tatsächlich waren sie aber von heute! Von Politiker_innen, die in der jetzigen Regierung sind! Es ist also besonders notwendig, aufgrund der aktuellen politischen Situation, auf Frauenförderung zu bestehen.
Wie wird die Frauenwahlrechtabschaffungszentrale konkret aussehen?
Es gibt den Container, er ist in rot-weiß-rot gehalten. Er ist umfasst von einer Konstruktion aus Stahlrohren. Drinnen befinden sich Wahlkampfbüros mit Schreibtischen, Wahlgeschenken, Transparenten, Laptops etc.
Draußen gibt es eine Wahlkampfarena, die mit Teppichen gekennzeichnet ist, außerdem einen Lounge-Bereich mit Sofa. Die Wahlkabine ist mobil, also eine klassische Wahlkabine aus Holz, aber auf Rädern. Die Wahlurne ist ein adaptierter MA48-Mistkübel.
Überall werden die Performer_innen ihren Wahlkampf abhalten. Passant_innen werden dazu animiert, ihre Wortspenden abzugeben, zu basteln und sollen auch am Sofa verweilen. Genauso wichtig wie die Performance direkt sind uns die Diskussionen, die wir anheizen können, die Kantine sozusagen, wo sich die Menschen nach der Vorstellung austauschen, ihre Gedanken weiterspinnen.

Ihr startet Ende Mai eure Crowdfunding-Kampagne – wieso habt ihr euch für diesen Kanal entschieden und fordert somit die „Crowd“ auf, Teil eures Projekts zu werden?
Wir denken, dass das Thema „Frauenrechte“ viele Menschen bewegt und wollen durch das Crowdfunding auch die „Crowd“ – die Bevölkerung bereits bei der Finanzierung in die Verantwortung ziehen. Das ganze Projekt lebt von der Beteiligung der Passant_innen. Nur durch den Austausch hat es seine Existenzberechtigung. Also warum auch nicht bei der Finanzierung? Darüber hinaus haben wir auch um staatliche Förderungen angesucht.
In Amerika ist es gang und gäbe, dass Künstler_innen auf diesem Weg Gelder für ihre Kunstprojekte lukrieren. Die Künstlerin Amanda Palmer beherrscht das zum Beispiel sehr gut. Durch die vermehrten Kürzungen der Fördergelder für Kunst und Kultur werden wir auch in Österreich neue Wege der Finanzierung finden müssen. Leider.
Was denkt ihr, was jeder von uns in seinem Alltag tun kann, um auf das Bewusstsein für Rechte hinzuweisen? Bzw. was sollen die Leute von eurer Aktion dann mit in ihren Alltag nehmen?
Wir wollen mit dieser Aktion darauf hinweisen, dass viele Rechte, die wir heutzutage haben, nicht selbstverständlich sind. Erst seit 1975 dürfen Frauen ohne das Einverständnis ihrer Ehemänner einer Arbeit nachgehen, das ist noch nicht lange her! Viele Kämpfe waren dafür notwendig. Wir glauben, dass sich die junge Generation, weil es uns zur Zeit sehr gut geht, nicht im klaren darüber ist, dass es Zeiten gegeben hat, in denen das nicht so war. Wir wollen 2018 – im großen Jahr des „Erinnerns“, daran erinnern, wie wichtig Gleichstellung und Demokratie sind. Und im Spirit von #metoo und dem Frauenvolksbegehren wünschen wir uns, dass immer mehr Menschen den Mut haben gegen Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen anzukämpfen/aufzustehen/ihre Stimme abzugeben. Ja, was wir alle noch machen können, ist Wählen gehen und andere zum Wählen zu animieren!
Wir blicken in die Zukunft: Ihr habt eurer Projekt erfolgreich finanziert – wie geht es dann weiter?
Eine Menge Ideen warten schon auf ihre Realisierung. (lachen) Wir haben sehr, sehr viel vor in den nächsten Jahren!
Mehr über die Brutpflegerinnen und ihre Crowdfunding-Kampagne findet ihr auf der Website!

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