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Anlässlich des 100. Todesjahres von Egon Schiele widmet das Leopold Museum dem Ausnahmekünstler nicht nur eine eigene Jubiläumsschau, sondern zeigt mit „Schiele – Brus – Palme. Absturzträume“ auch, wie sein radikales Kunstverständnis bis heute auch in den Arbeiten Günther Brus‘ und Thomas Palmes weiterlebt. VIENNARAMA berichtet.

Programmatischer Überblick
Die Ausstellung führt uns ins 2. Untergeschoß des Leopold Museums, in das sogenannte grafische Kabinett. Ein einleitender Text, der Auskunft über das Konzept gibt, wurde auf einer großen Tafel im Vorraum angebracht. Der Hauptraum, in dem die Schau „Schiele – Brus – Palme“ zu bestaunen ist, wurde sinngemäß in drei wesentliche Einheiten unterteilt: im Zentrum stehen neben der Zeichnung als primärem Medium auch Fotografie sowie Literatur beziehungsweise (Bild)Dichtung, die in Glasvitrinen präsentiert wird. Zusätzlich wurden die Begriffe Provokation, Existenz und Sexualität als Kategorien gewählt, da sich diese thematisch sowohl in den Arbeiten Schieles und Brus‘ als auch Palmes wiederfinden.

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Leopold Museum. Einblick in das grafische Kabinett.

Kunst und/als Provokation
Der Besucher beginnt den Rundgang mit dem Themenbereich der Provokation. Nicht nur Egon Schiele, sondern auch Günther Brus und Thomas Palme gerieten immer wieder in Konflikt mit den zu ihrer Zeit geltenden Moral- und Sittlichkeitsvorstellungen. Schiele erregte vor allem mit seinen Porträts von nackten Frauen in lasziven Posen Aufsehen. Günther Brus bekam erst Probleme mit der Exekutive, als er mit seinen Arbeiten in den öffentlichen Raum eintrat, besonders jedoch mit seiner Aktion „Kunst und Rebellion“ im Jahr 1968, die ihm selbst und seiner Familie Drohungen einhandelte. Schlussendlich waren es aber auch gerade die negativen Ereignisse, die nicht nur Schiele, sondern auch Brus zu weiteren aggressiven künstlerischen Arbeiten herausforderten. Gewissermaßen im Anschluss daran entwickelte auch Thomas Palme seine Zeichnungen, in denen er die scheinheilige Doppelmoral der bürgerlichen Welt offenlegt und die (dunklen) Begierden des menschlichen Daseins an den Pranger stellt.

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Egon Schiele. Selbstdarstellung, grimassierend, 1910

Das „unrettbare Ich“
Neben der Provokation findet sich mit der Darstellung der (eigenen) Existenz als „unrettbares Ich“ die nächste Gemeinsamkeit. Schiele geht es in seinen Selbstportraits nicht um eine exakte Verortung des Ichs. Er zeigt sich selbst grimassierend, in abgezehrter Pose, die Arme und Beine sind dabei des Öfteren abgeschnitten. Hier ist eine Parallele zu den Zeichnungen von Günther Brus zu erkennen, der in seinen Aktionszeichnungen ebenso ausgemergelte Körper zur Schau stellt. Dabei ist eine Offenlegung der Adern oder Sehnen sowie bei weiterer Beschäftigung mit dem Werk die Zurschaustellung der inneren Ängste der Menschen zu erkennen. Im Gegensatz zu Schiele und Brus konzentriert sich Palme mehr auf die Zuordnung von gesellschaftlich geprägten Bildern. So zeigt er sich als Märtyrer oder Opfer in einem transformierten Körper, jedoch immer mit einer gewissen Komik und Ironie. Schiele, Brus und Palme zeigen in ihren Arbeiten ein auf seine nackte Existenz reduziertes Ich, in all seiner Verwundbarkeit und Fragilität, dessen Körper zur Projektionsfläche von tiefen Empfindungen wird.

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Thomas Palme. Diverse Zeichnungen. L’Chaim, Bocher (linke Wand), 2017

Die sexuelle Komponente
Dem „Ich“ nachfolgend wendet sich die Schau schließlich mit der Beschäftigung der Künstler mit der Sexualität dem Ende zu. Im Falle von Schiele ist zu bemerken, dass der Großteil seiner Zeichnungen die Darstellung von (nackten) Frauengestalten ausmacht, die als „sexuelles Wesen“ gesehen wurden. Trotz des künstlerischen Anspruchs handelt es sich hierbei um erotische Bilder, die vermehrt für ein männliches Publikum angefertigt wurden. Ganz ähnlich ist die Beschäftigung mit dem Akt bei Palme anzusehen. Auch er nimmt sich dieses Themas mit großer Leidenschaft an, wobei seine Körper sowohl männlich als auch als weiblich, Ursprung des Begehrens und zu begehrendes Subjekt sein können. Bei Brus wiederum spielt das Begehren eine untergeordnete Rolle, seine Arbeiten sind wiederum im Kontext von Eros und Thanatos zu verorten.

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Günther Brus. Self-Painting, 1964

VIENNARAMA-Fazit: Mit „Schiele – Brus – Palme. Abstürzträume“ ist dem Leopold Museum eine äußerst interessante und gut durchdachte Ausstellung gelungen, die zeigt, dass Schiele auch im 20. und 21. Jahrhundert durchaus noch Relevanz besitzt. Als besonders anregend stellen sich auch die Biografien bzw. die Beschreibung der individuellen Zugänge der Künstler dar. Dies erlaubt es dem Besucher, einen Backstage-Blick in das Schaffen von Schiele, Brus und Palme zu erhaschen, und genau das macht diese Ausstellung sehens- und empfehlenswert.

Schiele-Brus-Palme. Absturzträume“ bis zum 11.06.2018 im Leopold Museum!

Leopold Museum
Museumsplatz 1, 1070 Wien
Öffnungszeiten: Montag, Mittwoch-Sonntag: 10-18 Uhr
Donnerstag: 10-21 Uhr
Weitere Informationen

Fotocredits: Leopold Museum

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