Letzte Woche wurde im Stadtkino der internationale Dokumentarfilm „ A Film About Coffee“ vorgeführt. Im Rahmen der Vorführung fand die erste und größte öffentliche Kaffeeverkostung Wiens statt. VIENNARAMA hat sich eine Tasse Kaffee genehmigt und im Kinosessel zurückgelehnt.
Im Foyer des Stadtkinos lag dieser wunderbare Duft von Kaffee in der Luft, den sogar Nicht-Kaffeetrinker schätzen. Diejenigen, die es tun, hatten an diesem Abend die Gelegenheit an drei verschiedenen Brew-Bars moderne Zubereitungsmethoden von Kaffee kennenzulernen. Die Mitglieder von Independent Coffee Vienna – einem Kollektiv aus führenden Wiener Röstern und Coffee Shops – boten ihre Specialty Coffee-Röstungen zur Verkostung an.
Eines war schnell klar: Specialty Coffee – das ist nichts für Eilige. Das erklärt auch die langen Schlangen an den Brew-Bars. Dort wurden Zubereitungsmethoden wie Cold Brew, Siphon oder Aeropress präsentiert. Die gläsernen Gefäße an den Theken erinnern irgendwie an ein verrücktes Chemielabor. Bei den Jungs von Balthasar erfahren wir, dass ihr Cold Brew-Coffee (ein extra kaltgebrauter Kaffee) von 6 bis hin zu 20 Stunden durch die Filter rinnt.
Auch bei den Coffee Pirates wird im sogenannten Chemex der Kaffee penibel mit exakt 92 Grad heißem Wasser in möglichst konzentrischen Kreisen übergossen. Nach mehrmaligem Wiegen und Messen heißt es dann noch warten, bis der Kaffee abgekühlt ist, denn dann entfaltet sich das Aroma erst so richtig. Wie gesagt: nichts für Eilige. Der Gedanke daran, dass wir uns jeden Tag unseren Morgenkaffee so zubereiten, lässt uns kurz schmunzeln.
Das Ergebnis der Brüharbeit ist unterschiedlich. Unsere Verkostungserlebnisse reichen von „ganz lecker“ über „pfui, wie sauer“ bis hin zu echter Überraschung über den oben genannten kalt gebrauten Kaffee. Wer hätte gedacht, dass bloßer kalter Kaffee mit einem Eiswürfel so gut schmecken kann?
Ein Liebesbrief an den Kaffee
So intensiv, wie die Verkostung verlief, so ist auch der „Film About Coffee“ ein durch und durch sinnlicher Film. Er beleuchtet durch die Augen von Kaffeebauern und Baristas dieser Welt das Zustandekommen der perfekten Tasse Kaffee. Schnuppern, schlürfen, riechen – es wird mit ausgeprägten Bildern gearbeitet. Wer eine kritische Beleuchtung erwartet, ist hier jedoch falsch. Der Film ist eine Dokumentation über Genuss und Qualitätsbewusstsein, die Lust auf Kaffee machen will. Dahinter stehen sowohl im Film als auch in Wien Menschen, die mit voller Leidenschaft hinter ihrer Mission stehen: die vielfältige Welt des Kaffees und die Faszination hinter der Specialty Coffee Kultur unter die Menschen zu bringen.
Für uns etwas überraschend, kam im Film DAS Kaffeeland schlechthin, Italien, nicht vor. Das lag vermutlich an der amerikanischen Produktion. Dafür gab es einen Ausflug nach Japan zu zwei – ja, man kann sagen sehr skurrilen Japanern, die sich im Land des Tees dem Kaffee verschrieben haben. Und so unähnlich zu einer traditionellen Teezeremonie ist die Specialty Coffee Kultur auch gar nicht. Die Hingabe, das minutiöse Zelebrieren des Röstens, Brühens, und Genießens ist durchaus mit einer Teezeremonie vergleichbar. Die modernen Baristas, so eine der Expertinnen im Film, hätten die Aufgabe, diese Leidenschaft an den Konsumenten zu übertragen. Und das funktioniert angesichts der aufstrebenden neuen Kaffeekultur rund um die Welt offensichtlich gut.
In den hohen Qualitätsansprüchen resultieren auch faire Arbeitsbedingungen und Entlohnung, dies wird aber in dem Film nicht großartig glorifiziert. Was im Mittelpunkt steht, ist immer der Kaffee und die Qualität – und die Verbindung von Kaffeebauern, Röstern, Baristas und Menschen die Kaffee genießen. Specialty Coffee, das haben wir jedenfalls gelernt, ist für Konsumenten, die gerne mehr Geld ausgeben dafür, dass die Qualität und Geschmack zu hundert Prozent stimmen.
VIENNARAMA-Fazit: Für Specialty Coffee braucht es viel Leidenschaft, Geduld und Liebe. Dass innerhalb kürzester Zeit auch in Wien so viele der modernen Röstereien aufsperren, zeigt unter den Konsumenten ein Bewusstsein für Slow Food, Qualität und Genuss. Davon darf es ruhig auch bei anderen Produkten mehr sein, finden wir. Denn Qualität bei Lebensmitteln sollte in jedem Fall stärker gelebt werden. Das nahezu zeremonielle Kaffeebrühen überlassen wir zwar lieber anderen, aber den nächsten Kaffee holen wir uns bestimmt bald bei einer der coolen Kaffeebars des Independent Coffee Kollektivs.
Infos zur Vereinigung und zur „Independent Coffee Map“ von Wien: https://www.facebook.com/independentcoffeevienna
Infos zum Film: http://afilmaboutcoffee.com/
Fotocredits Plakat: Independent Coffee Vienna
Fotocredits Hände mit Tasse: A Film About Coffee
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