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Vor 100 Jahren brach der erste Weltkrieg aus. Im März 2014 kommt die Welturaufführung von „Der Stille Berg“ ins Kino. Der starbesetzte Blick des Tiroler Regisseurs Ernst Gossner auf das Drama, das sich im unerbittlichen Kampf des Gebirgskrieges in den Alpen abspielte. Klaus Oberrauner erzählt er von den Hintergründen und den Dreharbeiten.

 

 

„Ein Dreckskrieg in einer monumentalen Landschaft“

Tirol, im Jahr 1915: Auf der Hochzeit seiner älteren Schwester Elisabeth lernt der Tiroler Hotelierssohn Andreas Gruber die italienische Klosterschülerin Francesca Calzolari kennen. Er verliebt sich in sie. Kurz darauf erklärt Italien der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn den Krieg. Während Andreas auf österreichischer Seite in den Krieg ziehen muss, wird sein Schwager Angelo Soldat der italienischen Streitkräfte.

Francesca verbleibt als Krankenschwester zurück. In den Dolomiten entbrennt daraufhin die Schlacht. Eine harte Probe für die Liebe und die Menschlichkeit.

Der Stille Berg behandelt ein Thema, das aktueller und europäischer nicht sein kann. Was Der Stille Berg 5hat Ihnen den Anstoß zu diesem Film gegeben?

Ernst Gossner: „Zum Thema Krieg bin ich über 9/11 gekommen. Ich war damals in Los Angeles und musste mitansehen, wie schnell nach den Anschlägen aufs World Trade Center ein Krieg ins Bewusstsein der Menschen reingehämmert wurde. Und wie schnell dann Afghanistan und der Irak attackiert wurden. 2004 aperten dann Leichname von Soldaten aus dem Gebirgskrieg aus dem Eis. Dieses Bild der ausgeaperten Vergangenheit hat mich nicht mehr losgelassen. Und die Idee zu ‚Der Stille Berg‘ war da.“

Was fasziniert Sie an dem Aufeinandertreffen der beiden Gewalten: Krieg und Bergnatur?

Ernst Gossner: „Die Natur war ein wichtiger Teilnehmer des Gebirgskrieges. Immerhin war sie es, die mehr Leuten das Leben gekostet hat, als direkte Feindeinwirkung. Und wenn man in den Dolomiten dreht und das auch noch in den Originalstellungen von damals, dann wird einem dieser Wahnsinn nochmals bewusster. Ein Dreckskrieg in einer monumentalen Landschaft. Und dann ist da noch der Berg, der keine Moral hat. Und wenn er eine hätte, dann wäre es dem Berg egal, ob wir uns auf ihm oben den Kopf eindreschen. Der war vorher still und er war es danach auch wieder.“

Sie bemerkten, dass Krieg immer eine spezielle Faszination auf Sie hatte, da Österreich mit den Ausbrüchen zweier Weltkriege verbunden ist. Gerade der Ausgang des ersten Weltkrieges versetzte Österreich in ein schweres Trauma, von dem es sich scheinbar noch immer erholt. Warum tut sich Österreich so schwer im bewussten und aktiven Umgang mit seiner Geschichte?  Warum ist es wichtig, sich dieser Geschichte zu erinnern?

Ernst Gossner: „Der erste Weltkrieg konnte auch nie verarbeitet werden. Da kam dann schon der nächste Krieg daher. Manchmal kommt’s mir vor, als ob da einfach so viel verschütt gegangen ist, dass es wieder drei oder vier Generationen gebraucht hat, um sich dem einigermaßen stellen zu können. Wenn überhaupt. Sich mit Geschichte auseinanderzusetzen ist fundamental. Ich habe grad einen Online-Kurs über die Geschichte der Menschheit absolviert und der Professor meinte abschließend, dass man Geschichte nicht studiert, um aus der Vergangenheit zu lernen, sondern sich von der Vergangenheit zu befreien. Wir spüren den Griff der Vergangenheit im Nacken, sobald wir geboren werden und wir merken’s nicht mal. Das Studieren der Geschichte zielt darauf ab, diesen Griff zu lockern und unseren Kopf mehr frei bewegen zu können und in neuen Wegen zu denken.“

Mit welchen Adjektiven würden Sie den Film beschreiben?

Der Stille Berg 8Ernst Gossner: „Tolle Schauspieler, spannend, abenteuerlich – Die Geschichte und die Dreharbeiten, liebevoll, gewaltige Bergkulisse.“

Wie kam es zur Besetzung von Claudia Cardinale und William Moseley als Anderl Gruber?

Ernst Gossner: „Claudia Cardinale war meine Wunschbesetzung. Wir haben ihr das Drehbuch geschickt und sie hat gleich zugesagt. Mit William war das anders. Wir haben zuerst in Tirol nach dem passenden Anderl gesucht. Wir haben extrem begabte junge Schauspieler gefunden, aber es war niemand dabei, der uns zu 100% überzeugt hat. Als ich merkte, dass es sich vom authentischen Tiroler weg entwickelt, war’s mir dann schon egal, ob er aus Deutschland oder aus England kommt. Die Castingagentin meines ersten Spielfilms hat uns dann auf William Moseley aufmerksam gemacht und ich fand ihn von Beginn an die perfekte Besetzung für Anderl.“

Dass Krieg keine Rücksicht auf (zwischenmenschliche, überregionale) Liebe und Vertrautheit nimmt, wird auch im Film thematisiert. Ist das nur realistisch? Was ist für Sie die wichtigste Botschaft des Films?

Ernst Gossner: „Wir wollten vom ersten Gedanken an einen Film machen über Krieg und was er mit den Menschen macht. Jede Pore des Films erzählt vom Krieg. Vom Witz bis zum Tod. Als großes Theater und als bittere Erkenntnis. Keine Figur in ‚Der Stille Berg‘ bleibt vom Krieg verschont. Alle ändert er, der Krieg. Und weil wir vorher von Vergangenheitsbewältigung gesprochen haben: Was uns, denke ich auch gelungen ist, zu zeigen, wie es unsere Urgroßeltern erwischt hat. Ich glaube, dass man nach dem Film besser weiß, wie es denen damals ergangen ist. Man darf ja auch nicht vergessen, dass es in Tirol, Südtirol und Trentino keine einzige Familie gibt, die nicht mit diesem Konflikt in Verbindung steht – wenn sie damals schon ihre Wurzeln dort gehabt hat. Wir merken das auch an den Leuten, die an uns herantreten und von ihren Großeltern oder Urgroßeltern zu erzählen beginnen.“

Wie gestalteten sich die Dreharbeiten in der Bergwelt und an den bizarren Schauplätzen?

Ernst Gossner: „Die Dreharbeiten waren heftig. William Moseley kam mit gebrochenem Bein und Gips an. Wir waren drei Tage vor Drehbeginn. Er musste alles massiv schonen und wir haben deshalb zu Beginn des Films eine Beinverletzung eingebaut, damit man sich nicht wundert, warum der so durch’s Bild hatscht. Das Bein hat sich aber schnell gebessert und am Ende konnte er schon wieder herumspringen. Dann sind wir in die Dolomiten. Einfach eines der schönsten Bergmassive der Welt. Wir drehten in den Originalschauplätzen des Gebirgskrieges und wurden in den Bergen vom Blitz getroffen. Der Blitz hat ca. 100 Meter vor uns eingeschlagen und hat sich über uns abgeladen. Neun Verletzte, drei auf der Intensivstation. William Moseley ist der Blitz am Arm rein und am Hintern raus. Und der Blitz fuhr auch durch die Kamera ins Auge unserer Kamerafrau und versengte ihr den Sehnerv. Das gibt’s auch. Es war schlimm. Das Team hat aber Unglaubliches geleistet und wir machten weiter. Da kam der nächste Blitz. Der hat uns nicht getroffen, aber wir mussten wieder unterbrechen. Dann nahm eine Mure ein ganzes Schlachtfeldset mit und zerstörte es. Dann wurde William auch noch krank. Jedenfalls hab‘ ich den Blitz dann wieder in den Film zurückgeschrieben. Kurz vorher hatten wir nämlich den Blitz wegen Budgetproblemen aus dem Drehbuch gestrichen. So ist das.“

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Regisseur Ernst Gossner Hauptdarsteller William Moseley

Welches ist Ihr beeindruckendstes Bergerlebnis? Was macht für Sie den Reiz der Berge aus?

Ernst Gossner: „Es ist jedes Mal beeindruckend. Aber manchmal eben auch zu beeindruckend. Toll waren die Besuche etwa auf der Madatschstellung im Ortlergebiet für unseren Dokumentarfilm ‚Global Warning‘. Dann ein Lawinenabgang im Kühtai, bei dem ein guter Freund von mir verschüttet wurde und ich ihn ausbuddeln musste oder besser durfte. Dann letztes Mal, als ich mich verging und plötzlich in einer Wand hänge und eh kein guter Kletterer bin. Immer spannend und beeindruckend. Aber auf jeden Fall muss ich noch mehr in den Dolomiten marschieren. So viel ist sicher.“

Bereits in seiner Dokumentation „Global Warning“ (2011) hat sich Gossner mit dem Tiroler Gebirgskrieg beschäftigt und sich die Frage gestellt, „warum die Welt noch immer brennt?“

Mit „Der Stille Berg“ wartet ein „spannender“, „abenteuerlicher“, „liebevoller“ Film (Filmstart: 15. März 2014) vor einer „gewaltigen Bergkulisse“, die heute noch immer auf dieses dramatische, geschichtsträchtige Ereignis herunterschweigt und emotionslos immer neue Zeugnisse der dunklen Zeit zutage fördert.

Weiterführende Links:

http://www.derstilleberg.com (Homepage zum Film)

http://www.youtube.com/watch?v=uzKXKktQiuQ&hd=1 (Kino-Teaser)

http://vimeo.com/82371652 (Film-Trailer)

http://www.ernstgossner.com/ (Homepage von Ernst Gossner)

http://www.globalwarning-derfilm.com/ (Homepage zur Dokumentation) 

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