Laura Holder

Versuch, dich abzuschreiben. Der Titel des Lyrikdebüts der Studentin und Hebamme Laura Holder ist Programm. Denn hier werden Worte und Semantik liebevoll zerpflückt, um Hirn und Herz in Einklang zu bringen. VIENNARAMA-Redakteurin Marlene wollte mehr über die junge Schwarze Wienerin erfahren und bat sie zum Interview.

 

Mit Gedichten verbinden die meisten verstaubte Liebestragödien oder abstrakte Poetry-Slam-Fetzen. Warum im Jahr 2021 einen Gedichtband veröffentlichen?

Ja, das stimmt. Vor allem Liebesgedichte sind echt out und die Lyrikszene in Österreich ist sehr klein. Ich habe aber beobachtet, dass sich Lyrik sehr im Wandel befindet und mittlerweile in vielen Formen – vor allem durch die sozialen Medien – auch einen modernen Charakter haben kann. Ich habe mich nicht bewusst dazu entschieden, Liebesgedichte zu schreiben. Viel mehr war das einfach immer schon meine Art, mit Emotionen zurecht zu kommen – indem ich sie aufs Papier bringe. So war es auch mit den Gedichten für mein Buch, die habe ich nicht mit dem Gedanken geschrieben, dass sie mal veröffentlich werden sollen, sondern eben für mich. Natürlich habe ich sie dann aber noch bearbeitet, bevor ich sie eingeschickt habe.

Deine Liebesgedichte könnten von der klassischen Schwärmerei und Tragik nicht weiter entfernt sein. Welche Funktion haben deine Gedichte?

Ich denke, dass mich Texte der heutigen Liebeslyrik auf den sozialen Medien irgendwie beeinflusst haben. Ich habe viel von den kurzen Facebook-Postings von Stefanie Sargnagel gelesen, dann bin ich mal auf Rupi Kaur gestoßen und auch Max Richard Leßmann postet jeden Tag ein kurzes Gedicht. Ansonsten habe ich tatsächlich einfach meine Emotionen zu einer bestimmten Person aufgeschrieben und dann versucht, diese Emotionen so allgemein wie möglich zu formulieren, damit sich viele Menschen da reinversetzen können und auch um zu schauen, ob man seine individuellen Gefühle überhaupt so allgemein ausdrücken kann.

Versuch dich abzuschreiben 1

Über welchen Zeitraum hinweg hast du die ausgewählten Gedichte geschrieben? Wer oder was inspiriert dich?

Über einen Zeitraum von etwa vier, fünf Monaten. Das war im Sommer des ersten Lockdowns. In dieser Zeit habe ich viel Zeit alleine verbracht und war auf meine Gefühle und Gedanken zurückgeworfen. In Zeiten von Isolation und Abgrenzung wollte ich etwas Nähe und eine kollektive Intimität schaffen. Inspiriert hat mich mein Herzschmerz aufgrund einer bestimmten Person. Der Person sind auch alle Gedichte gewidmet, bis auf vier, fünf Ausnahmen.

Du studierst afrikanische Literaturwissenschaften und bist zudem als Hebamme tätig. Beeinflussen dich Studium und die Arbeit mit Frauen auch in deinem Schreiben?

Mein Studium hat mich bestimmt irgendwie beeinflusst beziehungsweise auch überhaupt wieder mehr ins Schreiben gebracht. Mein Job als Hebamme möglicherweise auch, da sehe ich jedoch keinen direkten Zusammenhang als Inspiration für das Buch. Ich habe aber vor kurzem einen Artikel für die Redaktion Andererseits geschrieben, in dem es unter anderem auch um den Zusammenhang zwischen dem Hebammen-Dasein und der Liebe geht. Mir fällt als Verbindung aber die Mäeutik ein, der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet Hebammenkunst. Gemeint war damit eine Gesprächstechnik, durch die man einer Person zu einer Erkenntnis verhilft. Das Schreiben und die Hebammerei liegen vielleicht doch nahe zusammen. Ich habe auf jeden Fall den Gedichten geholfen, auf die Welt zu kommen (lacht).

Versuch dich abzuschreiben 2

Dem großen „Versuch, dich abzuschreiben“ folgen drei als „Versuche“ titulierte Kapitel. Wie kam es zu dieser Unterteilung?

Jeder Versuch, diese Person abzuschreiben spiegelt eine längere Begegnung mit der Person wieder. Man kann hier also von einer klassischen on-and-off-Beziehung sprechen.

Hattest du anfänglich Bedenken, einen derart intimen Einblick in deine Gedanken- und Gefühlswelt zu geben?

Erst, als klar war, dass es wirklich durch einen Verlag, in dem Fall durch den mikrotext-Verlag in Berlin.veröffentlich wird. Aber die Freude hat in dem Fall dann überhand genommen.

Was würdest du dir wünschen, dass Leser:innen von deinen Gedichten mitnehmen?

Ich hoffe einfach, dass die Texte Menschen beim Verarbeiten von ähnlichen Erlebnissen helfen können. Sie sollen das Herz beruhigen und die Seele füttern. Das meinte ich vorher mit kollektiver Intimität. Ich denke, wenn man erkennt, dass es vielen Leuten so geht oder schon mal so ging, kann einem das helfen.

Versuch dich abzuschreiben 3

Wie wichtig ist es dir als junge Schwarze Wienerin etwas zur Lyrik des 21. Jahrhunderts beizutragen? Welche Erfahrungen hast du als Neuling in der Literaturszene gemacht?

Mir ist es generell wichtig, dass Frauen und vor allem Schwarze Frauen mehr Platz in der Gesellschaft bekommen. Gerade in Ländern wie Österreich, mit einer weißen Mehrheitsgesellschaft, sollten auch andere Stimmen Raum haben und laut sein dürfen. Am besten in so vielen Bereichen wie möglich. Das Schreiben ist meine Leidenschaft und das würde ich gerne in vielen Formaten tun können.

Ich war mittlerweile bei ein paar Lesungen und fand es immer sehr schön, vor Publikum zu lesen. Ich hoffe, ich habe bald Zeit, mehr zu schreiben. Bis jetzt waren meine Erfahrungen als Autorin sehr gut.

Deine lyrischen Ergüsse werden mit Illustrationen von Veronika Kabas in Szene gesetzt. Wie kam es zu dieser Kooperation und war sie von Anfang an geplant?

Die Vroni ist eine gute Freundin von mir und ich mag ihren Zeichen-Stil sehr gern. Sie hat auch ein paar meiner Tattoos designt. Da sie die ganze Hintergrundgeschichte zu dem Buch gut kannte und mich und meine Emotionen eben auch, dachte ich, sie kann das bestimmt gut einfangen. Am Anfang ging es vor allem um eine Illustration für das Cover und dann hat sie immer mehr gemacht und ich fand alle extrem toll. Die Verlegerin war auch begeistert und dann war schnell klar, dass da alle ihre Illus mit reinmüssen.

Versuch dich abzuschreiben

Hast du schon Pläne für die Zukunft? Was dürfen wir von Laura Holder in den nächsten Jahren erwarten?

Puh, haha… ich will gern vor allem mein Studium fertig machen. Und gerne mehr schreiben, für Zeitungen und Magazine… aber auch Bücher. Konkret geplant ist noch nichts aber ich glaub schon, dass man auch in Zukunft wieder Wortkotze von mir lesen können wird.

Das Buch „Versuch dich abzuschreiben“ kann hier bestellt werden.
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Fotocredits: Felix Hohagen (Portrait), IG: @afrodeutscheliteratur (Gedichte), mikrotext (Buchcover)

 

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