Die Gebrüder Stitch, ursprünglich bekannt durch ihr Hosenlabor für Maßjeans auf der Mariahilferstraße, haben zum nächsten Streich ausgeholt. Ihr erfolgreiches Pop-up Kaffeehaus, die „Vollpension“, hat uns mit kuchenbackenden Pensionisten bereits zwei Adventsaisonen lang ein Retrofeeling der Sonderklasse beschert. Nun geht es deftiger zu. Die beiden haben den „Gschupften Ferdl“ ins Leben gerufen: Wiens ersten bio-zertifizierten Stadtheurigen. Und der passt so gar nicht in das übliche Touristenklischee der anderen Stadtheurigen in Wien. VIENNARAMA hat sich für euch am Heurigenbuffet bedient.
Hipster Hotspot im 6. Bezirk
In der Windmühlgasse 20 weht seit kurzem frischer Wind. Der „Gschupfte Ferdl“, benannt nach einem alten Wienerlied, verkörpert in vollem Maße das Konzept der wiederentdeckten Urigkeit, die die Gesellschaft von heute offensichtlich so vermisst. Das Konzept stammt von Mike Lanner und Moriz-Piffl-Percevic – den Gebrüdern Stitch. Betrieben wird der „Ferdl“ von Wirt Stephan Csiszar und Unternehmer Nick Pöschl. Speisen und Getränke stammen dabei zu hundert Prozent von bio-zertifizierten, österreichischen Erzeugern und Zulieferbetrieben. Mit dem außergewöhnlichen Design-Konzept des Lokals wird ein traditioneller Heuriger zu einem Hipster-Hotspot, wo viel Wert auf Qualität und Regionalität gelegt wird.
Schon die Einrichtung bricht mit dem typischen Heurigenklischee, ohne dabei lächerlich zu wirken. Grafische Muster im Pixel-Design der 80er und neonfarbene Speisekarten treffen auf Holz und Vintage-Klimbim, Wandbehänge mit zünftigen Sprüchen und eine alte Jukebox. Bierbänke und ein typisches Heurigenbuffet sorgen dafür, dass man sich trotz des hippen, jungen Publikums und den Leuchtstoffröhren immer noch wie beim klassischen Heurigen ums Eck fühlt. Das zeigt auch die urige Weinrebe vor der Türe und die vielen regionalen Spezialitäten, die man von Buschenschanken und Weinkellern aus der Umgebung kennt. Gleich positiv überzeugt der versteckte Gastgarten in einem der vielen relativ unbekannten und dabei so charmanten Hinterhöfen Wiens.
Eine Kreuzung von Tradition und Moderne ist auch das Unterhaltungsprogramm: Freitags und Samstags gibt es Live-Acts im „Ferdl“: Diese reichen von Italo Deep House Disco und Electro-Underground DJs bis hin zu echten Wiener Gassenhauern, wie den „Zuckergoscherln“ oder der kultigen Musikgruppe „Kollegium Kalksburg“.
Essen, Trinken, Zammsitzen
Aber jetzt zu den wichtigen Dingen des Lebens: dem Essen! Die Speisekarte ist erstaunlich umfangreich und einladend, haben die Speisen so sympathische Namen wie „das Käseorchester des Mäusekönigs“ (Käseplatte) oder „Der Bauer als Millionär“ (Deluxe Jause zum Teilen oder für den Riesenhunger). Neben den Platten laden Klassiker wie Verhackertes, Schafkäsegupferl, Hauswürstel und saures Rindfleisch zum Schlemmen ein. An warmen Speisen locken z.B. Gulasch und Schweinsbraten. Zudem gibt es unter der Woche zu Mittag wechselnde Mittagsteller und Frühstück (auch am Wochenende) für alle, die den Tag bereits zünftig beginnen wollen.
Was auf den ersten Blick etwas verwundert, ist der Zapfhahn hinter der Schank, aus dem offensichtlich Bier gezapft wird – eigentlich untypisch für einen Heurigen. Doch mit einem Blick auf die Getränkekarte erkennt man schnell: hier ist nichts so richtig typisch und doch wieder alles so, wie man es kennt. Besonders aufgefallen ist uns die große Auswahl an Uhudlergetränken, von klassisch bis kreativ gibt es z.B. Uhudlerspritzer, eine eigene Version des Hugo mit Uhudler und sogar einen Uhudler-Longdrink. Kaum zu glauben, dass der traditionelle Uhudler so viel Inspiration für fancy Drinks hergibt. Dazu gibt es eine feine Auswahl an Weinen und eben erwähntes Bier, natürlich in Bio-Qualität.
Preislich ist der „Gschupfte Ferdl“ zum Teil nicht ganz günstig, aber für Qualität zahlt man ja bekanntlich gerne etwas mehr. Und die Brettljause, reichlich bestückt mit Speck, Blunzen, Hilkater Raßkäse und anderen Schmankerln wirkt auf den ersten Blick zwar überschaubar, macht aber im Nachhinein mehr als satt (und glücklich). Die Speise- und Getränkekarte lädt jedenfalls ein noch einmal zu kommen. Und noch einmal. Denn die „Gschupften Krapfen“ (aus Erdäpfelteig mit Fleisch-, Blunzen- oder vegetarischer Füllung) wollen ebenso noch gekostet werden wie die zahlreichen hausgemachten Aufstriche und natürlich „Mitzis geiler Schokokuchen“, der schon mit seinem Namen besondere Gaumenfreuden vermuten lässt.
VIENNARAMA-Fazit: Österreichischer Dialekt, Speisenklassiker von damals, Fokus auf Qualität und Regionalität – die Gebrüder Stitch haben mit dem „Gschupften Ferdl“ den Zahn der Zeit getroffen. Die „gute alte Zeit“ ist auch beim jungen stylischen Publikum wieder im Trend. Der „Ferdl“ punktet mit einer eigenwilligen Kreuzung aus Modernität und Oldschool-Heurigencharme. Endlich gibt es einen Stadtheurigen in Wien abseits der üblichen Touristenfallen, der mit Witz und Ehrlichkeit hervorsticht und auch noch mit gutem Essen überzeugt. Ferdl, wir kommen wieder!
Windmühlgasse 20, 1060 Wien
Öffnungszeiten: Mo – Sa: 09:00 – 02:00, So: 09:00 – 00:00
Fotocredits: Gschupfter Ferdl
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