APA14844936 - 27092013 - WIEN - ÖSTERREICH: August Diehl als "Hamlet" am Donnerstag, 26. September 2013, während der Fotoprobe von "Hamlet" im Burgtheater in Wien. Das Stück hat am 28.09.2013 Premiere. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER

Hamlet ist die wohl bekannteste Tragödie der Theatergeschichte. Viel müssen wir dazu also auch nicht mehr sagen. Da erschreckt es ungemein, wenn das epische Meisterwerk um Sein oder Nicht-Sein kämpft. Denn die österreichische und deutsche Presse zerfetzte Andrea Breths Inszenierung am Burgtheater förmlich in kleine Stückchen. Wir stimmen nicht zu und möchten dem kritischen Blattsalat hiermit ins Knie schießen.

Zunächst der kritische BlattsalatAugut Diehl als Hamlet am Burgtheater

Mit Hamlet verlieh Shakespeare der Aufschieberitis einen dramatischen Charme. Jeder kennt die Geschichte des berühmten dänischen Prinzen: Als Oheim Claudius Hamlets Vater tötet und die Krone an sich reißt, schwört Hamlet Rache – ein Satz beschreibt das 2000-Vers lange Stück. Breths Adaption am Burgtheater zaubert hingegen das andere Extrem, nämlich in einer „Königsperversion im heutigen Bühnenbetrieb,…um so den ganzen konservativen Jammerern, die ihre Klassiker unbedingt so sehen wollen, wie sie im Buche stehen, die Absurdität dieses Verlangens mal so richtig reinzureiben, ins Hirn und ins Sitzfleisch“ (die Welt). Aber wo, denn „man sieht Hamlet vor lauter Sträuchern nicht“ (derStandard). Vielleicht macht er gar eine „Prinzenrolle rückwärts“ (FAZ), nebenbei heißt es noch „Ein langer Atem ist an diesem Abend nötig“ (die Presse), um des „Hirnkasperls Abramakabra“ (FAZ) und das „jünglinghaft glühende emphatische Honigkuchenpferdchen“ (FAZ) aka August Diehl zu fassen, wenn, wie es scheint im Drama einzig „der Mut zur Lücke fehlt“ (die Presse). Die Kritik im wirren Zeitungsblattsalat lässt nichts zu wünschen übrig. Komisch. Entweder haben wir eine gestörte Wahrnehmung oder wir saßen im falschen Stück.

Der Geist seines verstorbenen Vaters erzählte Hamlet vom Mord. Daraufhin beschließt Hamlet Rache zu üben.Der Schuss ins Knie

Nun stimmt es, dass es sich hier um die erste sechsstündgie Adaption Hamlets im deutschsprachigen Raum handelt, aber ist denn das deutschsprachige Werk wirklich so viel schlechter als das britische Pendant oder überwiegt mehr die Strenge des Publikums? Ehrlich gesagt waren wir zu Beginn nicht wirklich erpicht darauf uns diese sechsstündige Prokrastinations-Wucht einzuverleiben. Natürlich ist das Stück langatmig, wir halten ja kein Schäferstündchen, sondern horchen der Originalfassung eines bombastischen Dramas. Originalfassung ist da ein gutes Stichwort, so wurde das Stück nur minimal gekürzt, um den Zuschauern das Werk in seiner Ganzheit zu präsentieren, anstatt sich nach Lust und Laune Aspekte heraus zu picken, seien dies nun historische oder psychoanalytische. Will man dem Drama „Mut zur Lücke“ vorwerfen, sollte man sich auch eher gleich an Shakespeare wenden, der sich bei einer solchen Bemerkung wohl im Grab umdreht – die Intention der Regisseurin Breth und den Sinn dieser Adaption hat man mit solch einer Aussage fulminant verfehlt. Außerdem spielten die Bühnendarsteller allesamt inbrünstig, weshalb ihre aufblitzende Marionettenhaftigkeit eher auf die altenglische Sprechweise und unsere neuzeitliche Entwöhnung dessen zurückzuführen sind. Zwischen dem Elisabethanischen Zeitalter und der Gegenwart liegen ja nur knapp 400 Jahre und man wäre naiv zu glauben, die Sprache hätte sich seitdem nicht verändert. Einzig erschütternd fiel eine translationstechnische Kleinigkeit im berühmten Existenz-Monolog auf, wo „sea“ mit „See“ übersetzt ist. Aber seht lieber selbst.

VIENNARAMA-Fazit: Wer sich Hamlet im Burgtheater einverleiben möchte, sollte sich wappnen und zumindest die Wikipedia-Beiträge zu Hamlet und englische Renaissance lesen. Es handelt sich außerdem um eine bewusste sechsstündige Adaption eines tragischen Dramas, also nichts da mit „langatmig“ – „langatmig“ ist Tolstois hundertseitiges Intro in Krieg und Frieden. Schlussendlich noch ein kleiner Tipp: Mit einem Sitzplatz ist nicht nur euer Hintern bedient.

Hamlet

Bildcredits: apa/Herbert Neubauer

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