Die Grippe greift um sich. Kaum jemand hat die vergangenen Wochen gesund überstanden. Auch in der VIENNARAMA-Redaktion wird geschnupft. Deswegen ist das Wort am Sonntag „Kranksein“.
Marlene – Pro: YEAAAH, krank!!
Gleich mal vorweg: Natürlich ist krank sein generell kein Zustand, dem ich oder – soweit ich die Menschheit verstehen kann – irgendjemand gerne frönt. Doch es gibt da gewisse Nebenwirkungen, die nicht nur bei den konsumierten Medikamenten, sondern auch beim Kranksein an sich auftreten. In diesem Fall müsst ihr euch zur Erläuterung dieser auch nicht an euren Arzt oder Apotheker, sondern nur an meine schreibende Wenigkeit wenden, die folgende Erachtungen hegt:
Erster Gedanke aus Kindheitstagen: YEAAAH, krank!! Früh aufstehen fällt weg, die Schule sowieso und wenn man die Hausaufgabe in weiterer Folge nicht versteht, die sich gedanklich so weit weg befindet wie die Andromeda-Galaxie (also in etwa 2,4–2,7 Millionen Lichtjahre, um den Bildungsauftrag des Journalismus nicht außer Acht zu lassen), war man schließlich krank. Und krank sein bedeutete zu allererst einmal: Bett & Fernsehen, Mutterliebe & Mitleid. Mitleid im Sinne von umsorgen, Aufmerksamkeit und Verständnis für das Hausaufgabenunverständnis. Zumindest bis man wieder gesund war. Aber daran versuchte man krampfhaft nicht zu denken.
Paradies Kindheitskranksein.
Zweiter Gedanke aus Gymnasiums-Skikurstagen: YEAAAH, krank!! Nicht Ski fahren gehen! (Ich bin mir dessen bewusst, dass ich mich hier als Schul- und Sporttraumatikerin offenbare, aber meiner Erfahrung nach bin ich nicht alleine.) Das hieß damals süße Isolation, keine Verletzungen – die bei mir wie die abgewandelte Pythagoräische Formel „Piste² + Marlene auf Ski/Snowboard² = Verletzte Marlene²“ absolute Gültigkeit besaßen – und wiederum: Bett. Ohne Fernsehen zumeist. Ergo: Nicht nur einmal wurden der Sinn des Lebens und schwer pubertierend-philosophische Fragen in einem Stockbett des billigst zu findenden Schulskikurshotels durchdacht. Mental derart trainiert konnte man schließlich auch den überraschungsgeschmacksintensiven Scheiterhaufen am Abend mit Willenskraft und innerer Ruhe bezwingen.
Der heutige, dritte und aktuelle Gedanke ist ein rationaler: Ich arbeite, also bin ich nicht krank.
Sollte ich trotz meines pseudophilosophischen Work-Health-Ansatzes einmal derart aussätzig sein, dass ich zuhause bleiben muss, spaltet sich meine dazugehörige Kosten-Nutzen-Rechnung in zwie: Denn auf der einen Seite und für mich immer der größte Vorteil – Bett. Die andere Seite liegt jedoch der gefühlten Verpflichtungstransformation zugrunde. Schule war Zwang, ich konnte mir nicht aussuchen, was ich da denn den ganzen Tag so produzierte, und auch die Menschen um mich waren die, die das Leben und andere Mütter produziert und in dem Gebäude meiner Allgemeinbildungskarriere angemeldet hatten. Ein Leben voller fixer Variablen, die wenig eigenverantwortliche Entscheidungen zuließen. Doch heute? – Ich liebe arbeiten.
Arbeit ist Sinnstift und Therapie in meinem Leben. Daher ist krank sein eher suboptimal. Denn die Hausaufgaben leben in nicht abgearbeiteten Schreibtischablagen weiter. Und seitdem es Dragonball Z nicht mehr im Kinderkrankseinvormittagsfernsehprogramm spielt, macht mich auch Fernsehen nach zwei Tagen zum Irrenanstaltler.
Neue Pros, um meinen Part sinngerecht abzuschließen, gibt es aber doch: Bett (nein, tschuldigung, alt, aber bewährt), Fernsehen (es gibt ja mittlerweile Serien zum Streamen), und meinen Mann, der mich trotz körperzersetzender Bakterien nicht nachhause schickt und mir Medikamente, Tee und Liebe entgegenbringt. Ans Bett, versteht sich.
Hannah – Contra: Aspirin-Stamperl
Schlägt man im Wörterbuch „Immunschwäche“ nach, dann findet man ein Bild von mir daneben, mit kränklich verzogener Mine. Man kann sich nicht entscheiden – Ekel oder Mitleid. Ein ewiges hin und her. Was sich jetzt vielleicht nach einem Scherz anhört, ist eigentlich gar nicht so lustig. Denn seit Jahren bin ich nicht wirklich krank, aber auch nie wirklich gesund. Ein permanentes „Bläh“ fühlen. Ich habe alles versucht: Schuldmedizin & verschiedenes Homöopathisches. Gebracht hat es nichts. Was mich zu einem eher anstrengenden Mitmenschen macht. Vorausplanen fällt mir schwer, körperliche und psychische Anstrengungen müssen gut eingeteilt und geplant werden. Was zu Folge hat, dass man mich nicht mehr ganz ernst nimmt. Nicht einmal die Familie. Man weiß, dass man sich Sorgen machen muss, wenn der eigene Bruder auf Nachfragen nach meinem Befinden, schwer verwundet ist, wenn ich mit „Sehr gut“ antworte.
Neben der permanenten Lebensbeeinträchtigung ist der Zustand des Krankseins auch einfach extrem langweilig. Man liegt nutzlos herum, bemitleidet sich, ernährt sich nicht gut und ist unproduktiv hoch zehn. Es fallen einem auch kaum so viele gut Ideen ein, wie wenn man krank ist. Die Ideen kann man wiederum auf Grund des körperlichen Zustands nicht umsetzen. Furchtbar. Furchtbar frustrierend. Dieses Phänomen führt dazu, dass ich das auskurieren oft ein wenig kürze. Dumm. Ich weiß. Leider kann ich diese Kolumne nicht mit positiven Worten beenden und einen romantischen Hoffnungsschimmer am Himmel der Gesundheit zeichnen. Außerdem bin ich krank und das Schreiben strengt ein wenig an. Deswegen mach ich mir ein „Aspirin“-Stamperl und bette mich nieder. Die Woche wird schließlich busy.
Photocredits: http://www.apocheck.at/aspirin-plus-c-2/
Discussion
Leave a reply