Das Jahr nähert sich dem Ende. Zeit sich mit unserem ständigen Begleiter in der Weihnachtszeit zu beschäftigen: Punsch. Marlene und Hannah haben sich den Auftrag zu Herzen genommen. Prost.
Pro: Marlene – „Punsch besteht nunmal aus zwei unserer Lieblingsdrogen: Zucker und Alkohol.“
Punsch spielte schon früh eine bedeutende Rolle in meinem Leben. Als Kind sog ich den ersten Punsch geradezu in mein Hirn auf. Dass es sich dabei um den satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch, ein phantastisches Wortgebräu von Michael Ende in Buchform handelte, störte mich dabei nur wenig. Wobei, eigentlich doch mehr als wenig. Doch ich stellte mir einfach die verschiedenen Zutaten vor, die einen mit Graus erfüllen sollten und ebenso, wie es war, betrunken zu sein, alkohöllisch betrunken nämlich.
Wenn ich heute in gedrängten Menschentrauben doch etwas an Zeit finde, um über das Zucker-Rum-Sekret zu sinnieren, dann muss ich sagen, hat sich nicht viel verändert. Ich stelle mir die verschiedenen Zutaten vor, die mich von Aromenkonzentrat über Zuckerberge und portionierten Alkoholdöschen mit Graus erfüllen und hoffe ob des Preises schließlich alkohöllisch betrunken zu sein.
Doch zum Glück habe ich mir meine kindliche Ader bewahrt und gebe mich dem verkaufspsychologischen Trick der Punschstandler jedes Jahr gerne aufs Neue hin. Denn: Es gibt jedes Jahr zumindest eine neue Sorte. Und ich, der Abwechslungsfanatismus in Fleisch und Blut, würde nicht eher ruhen können, als er nicht zumindest bei 80% der Auswahl auf Anfrage entschieden im Brustton des Expertentimbres entgegnen könnte: „Ja, der schmeckt auch sehr süß, den habe ich auch schon mal probiert.“
Egal, ob exklusiv anmutende Birne-Quitte, beinahe gesundheitsfördernd wärmender Marillen-Ingwer, patriotisch rot-weiß-roter Glühweinmarathon, irgendwie schon speibades Eierlikör-Schlagobers oder die klassischen Beeren, mit denen man in gewohnter Tiefkühlgatschmanier insofern nichts falsch machen kann, da man weiß, was man an ihm hat (bzw. auch nicht) – Punsch besteht nunmal aus zwei unserer Lieblingsdrogen: Zucker und Alkohol.
Und wann, wenn nicht in einer dunklen, kalten, grauen, grimmigen, stressigen und gleichzeitig penetrant leuchtenden Zeit, sollten wir uns kollektiv auf engstem Raume (zwecks Wärmeverlustoptimierung) Daunenjacke an Daunenjacke zusammenquetschen und legitimerweise (denn am Punschstand ist man nie allein) das heiße Betäubungsmittel in unsere Venen leiten?
Wo, wenn nicht am Punschstand, ist es gleich wieder vergessen, dass picksüßes, meist Gott sei Dank eher lauwarmes Süßstoffliquid über Hand und in Ärmel saftelt. Ein kurzer Grantler, der möglichst gleich mehrere Drängler berieseln soll, zu denen man sich eben noch selbst zählte und der Hauch einer Hoffnung, dass sie auf der Rückreise dieselben Ärgernisse und Centiliter-Einbußen hinnehmen müssen, und schon freut man sich wieder. Wie in manch Teewerbung steht man plötzlich allein und mit geschlossenen Augen und genießt, isoliert von der Außenwelt, den ersten Schluck des Punschs der Wahl.
Bis zum nächsten Rempler. Doch bis dahin hab ich mir in Gedanken schon lang wieder die nächste Spezialität ausgesucht. Und wenn ich dann wattig nachhause schlendere und mit verpicktem Magen wahllos pikante Zutaten in die Pfanne werfe und zu einem Jackson Pollock Gemälde verrühre, dann kann ich nicht anders, als die Weihnachtszeit zu lieben. Punsch sei Dank.
Contra – Hannah: „Ich gebe die Schuld der Filmindustrie und dem romantisierten Bild, das von Weihnachten vermittelt wird!“
Punschen. Punsch und ich werden wohl nie Freunde. Das liegt einerseits an meiner skeptischen Haltung Alkohol gegenüber, im Generellen und Speziellen. Punsch ist immer zu stark und man hat immer Kopfweh am nächsten Tag. Immer.
Andererseits gebe ich die Schuld der Filmindustrie und dem romantisierten Bild, das von Weihnachten vermittelt wird. Schöne Menschen mit lieblich geröteten Wangen, die sich in kurzen Röcken an ihrem Heißgetränk erfreuen. Ich sehe nie lieblich aus, habe eine Angorastrumpfhose und drei weitere Schichten an – was eine schwer eingeschränkte Beweglichkeit zur Folge hat, und mir ist immer noch kalt.
Mit Weihnachtsmärkten und Punschen ist es so eine Sache. Man stellt es sich immer schöner vor, als es am Ende ist. Gemütliches Beisammensein. Leckerer, warmer Punsch oder Glühwein. Weihnachtsmusik. Schneeflocken, die fallen. So ist es aber nie, wirklich nie. Die Realität sieht nämlich folgendermaßen aus: Menschenmassen. Nein, schlimmer, betrunkene Menschenmassen. Menschenmassen, die dich zwischen sich einklemmen und du dich wie Simba zwischen einer Gnuherde fühlst. Beim Kampf zum Punschstand vergeht einem ja schon eigentlich die Lust. Die übergebliebene Motivation vergeht einem dann bei den übertriebenen Preisen. „Turbopunsch mit Schuss?“ Danke, nein. Es ist einfach immer kalt, sehr kalt. Man klammert sich also an sein Häferl und hofft, dass man von innen warm wird. Begleitet von wippenden Bewegungen schaukelt man sich dann zum zweiten Punsch. Jedes Jahr gebe ich Punsch wieder eine Chance. Vergebens.
2014 hatte ich dann die Erleuchtung und habe mich auf Christkindlmärkte schauen – nur in den menschenleeren Seitengassen – und schokolierte Äpfel geeinigt.
Um hier nicht nur Grinch-Gefühle zu versprühen: Punschstände, bei denen der Gewinn jedoch sozialen Organisationen zu Gute kommt – die kann man gerne und viel unterstützen. 😉 Und auch kleine Punschstände verkrafte ich zu besuchen. Vorsicht Schleichwerbung: Die Punscherei zum Beispiel ist klein, überschaubar und hat ein Lagerfeuer, bei dem man Marshmallows grillen kann. Damit kriegt man mich dann doch.
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