Nach dem Motto „Kunst statt Puff“ haben sich Christina Berzaczy und Lino Kleingarn, engagierte junge Geister der Improvisationsbühne, einen Traum erfüllt und in einem ausgedienten Etablissement in Rudolfsheim-Fünfhaus eine lebendige wie gemütliche Theaterbar eingerichtet. Klaus Oberrauner gewährt für VIENNARAMA einen Einblick über die Hintergründe und die Philosophie vom „Irrlicht“, das nicht nur das Grätzel kulturell belebt.
Ein Irrlicht im Fünfzehnten
Rote Vorhänge, viele Teppiche, gemütliche Séparées. In der Ullmannstraße, unweit von der U-Bahn-Station Längenfeldgasse, lädt das Irrlicht mit Arts & Games in einen heimeligen Salon, lebendig von geselliger, interaktiver und künstlerischer Atmosphäre. Kerzen und Kekse an den Tischen machen entsprechend Stimmung in der kalten Jahreszeit. „Wir haben den Wunsch nach einem Lokal mit Wohnzimmeratmosphäre, das trotzdem irgendwie spannend ist. Wo du sowohl ein Spielangebot als auch ein kulturelles Angebot hast“, unterstreicht Christina Berzaczy eine der Besonderheiten der Lokalität.
„Die Idee ist eigentlich zu uns gekommen“
Die Anfänge waren abenteuerlich. Wie kam es zur Idee? „Die Idee ist eigentlich zu uns gekommen“, blickt die ausgebildete Schauspielerin, Sängerin und Kulturvermittlerin mit Schmunzeln zurück. „Die Lichtfabrik, ein Verein, der im 15. Bezirk beheimatet ist, hat dort einen wunderschönen Raum gehabt, der auch dazu beigetragen hat, die Gegend kulturell etwas aufzuwerten. Der Hausbesitzer hat für jene Kunst- und Kulturschiene im selben Gebäude einen zusätzlichen Raum nebenan angeboten, der damals ein Bordell gewesen ist.“ Allein das nötige Kleingeld fehlte für das Unterfangen. Die Anfrage wurde weitergeleitet. „Prinzipiell habe ich mir gedacht, das klingt lustig.“ Angetan von dem großartigen Angebot wagte sie einen Lokalaugenschein: „Ich bin alleine in dieses Bordell gegangen, bevor es grundgereinigt wurde. Es war im Urzustand, wie es die Angestellten verlassen haben. Drinnen habe ich meine Fantasie spielen lassen und ich hatte vor mir, wie unser Lokal aussehen könnte.“ Trotz finanziell besser aufgestellter Mitbewerber, bekamen Christina Berzaczy und Lino Kleingarn den Vorzug. Eine wichtige Unterstützung für den Start war ein Speed-Crowd-Funding: „Wir haben E-mails geschrieben mit Gegenleistungen, die man kriegt, wenn man spendet. Ich habe es an alle Menschen geschickt, die ich kenne und binnen zwei Wochen waren 7000 Euro auf der Welt. Das hat mir noch einmal klargemacht, dass der Bedarf nach einer Spielstätte gegeben ist, die Leute das Konzept schön finden und das unterstützen wollen.“
Ein besonderer Spielraum
Das Irrlicht ist nicht nur ein gemütlicher Treffpunkt. Es ist auch auch im interaktiven wie spielerischen Sinne Theaterspielraum, der zum Mitmachen, Mitgestalten, Beobachten und Genießen einlädt. Als Spieledesigner und Theatermenschen setzen Berzaczy und Kleingarn ihr Grundkonzept liebevoll um. „Wichtig ist: Man muss sich nicht beteiligen. Man kann auch einfach dort sitzen und schauen, was passiert“, ergänzt Berzaczy. Raumbedingt liegt der Fokus auf Kleinkunst: Das Podest mit der ehemaligen Gogostange ist ideal für Einzelkünstler wie Stand-Up-Comedians, allein auftretende Singer-Songwriter. Für kleinere Musikensembles, Kabarett oder kleine Theaterproduktionen gibt es die Möglichkeit für zwei größere Bühnen. Gedacht für alle Künstlerinnen und Künstler, die einen kostenlosen Ausprobier- oder Aufführungsraum nutzen möchten. „Vor allem junge Künstlerinnen und Künstler suchen Räume, was in Wien nicht wirklich einfach ist. Auch professionelle Geschichtenerzähler oder Stummfilmaufführungen mit Livemusik haben keine wirkliche Bühne in Wien“, so Berzaczy.
Häufig gibt es Improvisationstheater. Die kreative Gestaltung der Séparées steht im Mittelpunkt: „Wir denken an ein Klang-Séparée, wo man hineingehen und sich mit Musik, Geräuschen oder Experimentellem aller Art auseinandersetzen kann. Damit die Leute merken, wie stark der Sinn ist und was er mit ihnen macht. Wir kriegen einen Ohrensessel gesponsert, wo in den Ohren Boxen drinnen sind.“ Neben den Vitrinen mit Karten- und Würfelspielen, gibt es einen alten Röhrenfernseher mit einem Supernintendo, wo man die beliebtesten Spiele der 90er Jahren spielen kann. In einem Kostümséparée mit ganz vielen Theaterkostümen kann man sich verkleiden, fotografieren oder ein eigenes Theater-Hintergrundbild mit einem Laserstift zeichnen. „Wenn du auf’s Klo gehst, ist dort ein schöner, alter Plattenspieler, der mit Bewegungsmelder losgeht. Dort findet man auch eine Schreibmaschine, auf der man Klopoesie schreiben kann“, schildert Berzaczy ein amüsantes Detail.
Die Theaterbar als Besuchermagnet
Das Irrlicht freut sich über guten Zulauf, trotz anfänglicher Überwindung genau da hineinzugehen, wo früher viel nackte Haut zu sehen war: „Die Leute aus der Gegend sind sehr dankbar, dass hier etwas passiert. Dass das Puff weg ist, dass etwas Kulturelles passiert, dass sie etwas haben, wo sie abends hingehen können und wo sie etwas erleben, was sie sonst im Prinzip nirgends haben.“ Das Irrlicht war im Herbst 2014 Teil der Europäischen Theaternacht.
Weiterführende Links und Infos:
http://www.irrlicht-artsandgames.at (Homepage der Theaterbar „Irrlicht“)
https://www.facebook.com/IrrlichtArtsandGames?fref=ts (Die Theaterbar „Irrlicht“ auf Facebook)
https://www.youtube.com/watch?v=t0SzLzLwwh4 (Die Theaterbar „Irrlicht“ bei der Europäischen Theaternacht 2014)
http://www.dielichtfabrik.at (Homepage der „Lichtfabrik“)
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