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Gegensätze ziehen sich an. So auch bei Marlene und Hannah. Mission bei diesem Wort am Sonntag: Marlene sagt öfter „Nein“, Hannah sagt öfter „Ja“. Was dann passiert? Lest selber. 

 Pro: Hannah versucht sich als Ja-Sagerin!

hannahGespräche mit Fräulein Winter verlaufen immer nach einem ähnlichen Schema. Reden und reden lassen. Zuhören, nie urteilen und ab und zu hart, aber gerecht Meinungen austauschen. Offen und ehrlich – deswegen funktioniert diese Beziehung auch außerhalb des „Wort am Sonntags“. Ebenso einem Gespräch entsprang die Idee, ich sollte doch öfter mal „Ja“ sagen im Leben. Ich gebe zu, der Druck der Neujahrsvorsätze und Gedanken wie „Werde ich irgendwann bereuen, dass ich mein Leben so lebe wie ich es tue?“ haben ihr Übriges getan. Wenn man mich nicht persönlich kennt, wird es schwer fallen, das nachzuvollziehen. Auf Außenstehende wirke ich – wie soll ich es sagen – eventuell langweilig.

Ich arbeite sehr gerne und viel, verbringe die Wochenenden mit meinem Freund „Netflix“ im Bett und ich liebe es, wenn die Tür ins Schloss fällt und ich niemanden mehr sehen oder sprechen muss. Asozial könnte man vermuten. Könnte man, ich wähle nur momentan gerne aus, wen ich wann sehe und oberflächliche Gespräche und Pseudonettigkeiten öden mich an. Deswegen kommt mir schnell und oft ein „Nein“ über die Lippen.
Das wird sich jetzt ändern. Ich werde jeder Party, jedem After-Work-Bier und sonstiger Spontaneität aus voller Brust „Ja“-brüllend entgegenlaufen. Abenteuerleben, ich komme. Ich werde noch meinen Enkeln erzählen, wie toll draufgängerisch, spontan und verwegen ihre alte Oma nicht gewesen ist.
Wie Menschen, die mich kennen vermuten: It’s not gonna happen. Ich sage brüllend „JAAA“ zum Aufräumen und Müll rausbringen. Konsequenz: Mein Müllraumschlüssel funktioniert nicht mehr. Frustration: Aufgrund des sich stapelnden Mists groß. „JAAA“ zum Sport. Jahresabo? Fix. Gleich bar zahlen? Ja klar, wieso auch nicht?! 30 Minuten Sport und mein immunsystem-armer Körper erinnert mich, warum ich die letzten Monate, fast schon Jahr, keinen Sport gemacht hat. Krankenbett, ich komme. Frustration: Steigend. „JAAAA“ zu spontan Freunde treffen. Ich ende auf einer Informatikfeier, bei der sich die Gäste LED-Lichter ins Haar klemmen. Frustration: Ausgeprägt. Am Nachhauseweg wird übrigens meine Bankomatkarte eingezogen. Hat sich ausgezahlt, das „Ja“-Sagen. Deswegen sage ich inbrünstig „JA zum Nein-Sagen“. Meinem in Zukunft zweifelnden Ich, zwinkere ich milde lächelnd zu und denke an Frank Sinatra und summe „I did it my way – und das ist auch verdammt gut so.“ Geniestreich – werde, der du bist und so. Sollte ich mal mit Fräulein Winter besprechen.

Contra: Marlene hält es wie Konstantin Wecker und sagt „Sage NEIN!“

10452866_557862551025010_4691270021272242277_oÖfters „Ja“ zu sagen. Mit diesem Jahresvorsatz fiel Hannah in mein Hirn ein. Kurz durch mehrere Windungen meines rosa Denkweichteils geschickt, kam für mich das Pendant zu wirken: „Marlene, du solltest öfters ‚Nein‘ sagen.“ Denn, um mein diesbezügliches Persönlichkeitsmuster zu verdeutlichen: Ich bin ein „Ja“-Sager der ersten Stunde. Zumindest in sozialen Belangen.

Mitten in der Nacht nackt um den Häuserblock laufen? – Ich bin dabei. Abkürzung über einen Zaun mit 20kg-Handtasche und Stöckelschuhen? – Klar, simma schneller da! Noch ein zweiter Very Long Island Ice Tea, obwohl der Teufel persönlich den Trunk des Vergessens erfunden haben muss? – Ich lebe ja nur einmal! Ob ich nicht doch noch ein bisschen bleiben will? – Ja, warum eigentlich nicht? Ob ich nicht mit dem mir unbekannten Mädl reden kann, das bei ihrem Freund bleibt, obwohl er sie wie Dreck behandelt? – Natürlich, ich bin schließlich Hobbytherapeutin. Ob ich doch erst um 23 Uhr nach Hintergugging kommen und vielleicht ein paar Bier besorgen kann? – Wer, wenn nicht ich? Morgen bräuchten wir ein knackiges, lustiges Gedicht, das zu unserer Philosophie, zu unseren Kunden und zu unserem Gimmick passt. Würdest du das für uns machen? – Freilich. Und, und, und.
Ich denke „Ja“, also mache ich. Was mich nicht unbedingt immer mit den besten Konsequenzen segnet. Überarbeitung, Übernachtigkeit, Eskapaden, Erschöpfungszustände und Energieausbeutung (von mir für mich) sind die Folgen dieser Unvernunft.
Ich bin nunmal gerne verständnisvoll, helfe aus natürlichem Drang, teile gerne meine Talente, verbreite Geduld als Selbstverständlichkeit und möchte fast alles einmal ausprobieren. Denn woher weiß ich, was mich erwartet hätte, hätte ich nicht „Ja“ gesagt?
Genau darin liegt jedoch auch der Entwicklungsschritt: Ich muss nicht immer alles wissen oder tun. Ich will es auch gar nicht, hat mich das Leben in seiner eigenen, harten Geduld gelehrt. „Nein“ zu sagen, zu Dingen, Menschen, Situationen und Gefälligkeitsanfragen mag für viele Menschen ein Selbstverständnis sein, da ich jedoch sehr selten das vehemente Gefühl empfinde, etwas nicht machen zu wollen – da es doch meist einer anderen Person zugute kommt, eine Situation für einen anderen Menschen leichter oder noch freudvoller macht oder etwas ist, das meinen Auslotungstendenzen entgegenkommt – ist bei mir der Nein-sag-Muskel untrainiert und tut weh, sobald ich ihm ein Workout gönne.
Doch NEIN!
Ab jetzt wird alles anders. Marlene, willst du ein Eis? – Nein. Könntest du vielleicht Kaffee kaufen? – Solange er nicht für mich gedacht ist, nein. Magst nicht unbezahlt einen geringfügigen Job annehmen, weilst doch so leiwand bist? – Nein.

Die Gefahr, dass sich einige Menschen von mir abwenden werden, ist naturgemäß gegeben. Aber samma uns ehrlich? Warum sollte ich mich grämen, wenn ein Blutegel, (die schließlich früher auch hinterfragungswürdigen, medizinischen Zwecken gedient haben), aus dem Grund abfällt, weil es nichts mehr zu saugen gibt? Eben. Und so wage ich das Selbstexperiment: „Nein“ sagen und somit Grenzen setzen.
Oder wie ich alter „Ja“-Sager es ausdrücken würde: Mehr „Ja“ zu mir selbst zu sagen und „Ja“ zum „Nein“.
„Nein! Natürlich“, das wird meine Parole. Mit freundlichen Grüßen vom Marlene-Neujahrsschweindal.

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