„Ich gehe mich einen Dreck an“, gibt Marlene Dietrich einmal auf die Annahme zurück, sie würde die Bücher lesen, die über sie geschrieben wurden. Das Theater-center Forum im neunten Wiener Gemeindebezirk huldigt der deutschen Schauspielerin und Sängerin nun bis 16.01. mit einem Schauspiel- und Konzertabend. VIENNARAMA ließ sich nicht zwei Mal bitten.
Kleines Theater, große Show
Wer das Theater-center Forum kennt, gehört wahrscheinlich zur Minderheit. Das kleine, 1979 eröffnete Theaterhaus, das am Eck der Porzellangasse 50 im neunten Bezirk zu finden ist, macht auch keinen großen Hehl aus sich. Zu Unrecht, ist es doch eines der wenigen Theater, die zwar klein, aber umso feiner sind. Die roten, samtbezogenen Sitzgelegenheiten in den kleinen Nischen des Vorraums liebäugeln ebenso mit dem Besucher wie der Stuck und das große Wandgemälde, das sich im Saal 1 befindet. Trotz Wohnzimmerambiente nimmt man hier entweder am Parkett, auf der Estrade oder in einer der beiden leicht erhöhten Logen Platz. Ein guter Beginn. Das Publikum ist eine eigene Sozialstudie wert – eins haben aber alle gemeinsam. Marlene Dietrich. Diese, gespielt von Susanne Rader, lässt auch nicht lange auf sich warten. Den Boden auf allen Vieren schrubbend eröffnet sie die Szene.
Ein Juwel unter Kriegsasche
Auch wenn man für die Darbietung keinerlei Hintergrundinformation benötigt, so kann man mit etwas biographischem Wissen doch schon von Beginn an beurteilen, wie authentisch die Rolle gespielt wird.
Marlene Dietrich wird 1901 in Berlin geboren und wird ihre Berliner Schnauze zu ihrem Glück auch nicht verlieren. Als Tochter einer Juwelierstochter und eines Polizeileutnants, der stirbt, als sie sechs Jahre alt ist, ist sie früh mit Verlust und Disziplin konfrontiert. Ihr Stiefvater fällt 1917 im Krieg, während sie weiterhin gutbürgerlich erzogen wird und lernt, was man als junges Mädchen zu tun und zu lassen hat. Ohne Abitur beginnt sie die Ausbildung zur Konzertgeigerin – nach einer Sehnenscheidenentzündung beschließt sie jedoch Schauspielerin zu werden. Für das Vorsprechen für den Film, der sie berühmt machen soll, hat sie kein Lied vorbereitet, weil sie meinte, dass sie die Rolle ohnehin nicht bekommen würde. Genau das sollte ihr Vorteil sein. Ihr Desinteresse wie ihre Neigung, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen und sich nicht in eine Kategorie stecken zu lassen, werden ihr Markenzeichen.
Eine Frau steht ihren Mann
Den Boden schrubbend treffen wir den Star in der ersten Szene allen Vermutungen zugegen bereits auf der Spitze ihrer Karriere, genaugenommen in England, an. „Die Garderobe sei nicht geputzt worden, das sehe man doch.“ Die Reinigungsaktion und ein Telefonat mit einer Freundin in Palm Springs werden allerdings kurz vor ihrem Auftritt unterbrochen. Ein Reporter (Matthias S. Raupach) taucht auf, der sie für die London Times interviewen möchte. Was folgt, ist ein Frage-Antwort-Spiel, das sowohl Charakter als auch Biographie der Sängerin und Schauspielerin erhellt. „Da erzähl‘ ich Ihnen eine Geschichte dazu, aber legen Sie den Stift weg – das wird nicht gedruckt.“ Sätze wie diese zeugen von einer Selbstbestimmtheit und Dominanz, die damals für Frauen im Business unüblich waren. Dass Macht über die Massen und auch über die Männer ein großes Thema in ihrem Leben spielte – davon erzählen in Folge nicht nur Lieder wie „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“, sondern auch die Tatsache, dass sie als eine der ersten Frauen Männerhosen salonfähig machte und Zigarren rauchte.
Unsterbliche Lieder und der Hangover des Ruhms
Kernstück des Abends bilden die Lieder der Berlinerin, die Susanne Rader in originalgetreuen Konzertroben der Diva zum Besten gibt. Begleitet von Thomas Bartosch am Klavier werden hier unter anderem „Ich bin die fesche Lola“, „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ und „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ reanimiert.
Abermals mit einer Interviewsituation schließt das harmonisch arrangierte Stück. Die über 80 Jahre alte Marlene steht wieder Frage und Antwort – nun jedoch in Form einer Tonaufnahme – nicht für einen Zeitungsartikel, sondern für eine Dokumentation. Hildegard Knef, langjährige, ebenso berühmte Freundin meldet sich da zwischendurch am Telefon. Sie selbst liegt im Bett. Mit Sonnenbrille. Und aus der Selbstbestimmtheit und der Koketterie der früheren Jahre sind mittlerweile Abgeklärtheit und Feindseligkeit gegenüber der oberflächlichen und romantisierenden Welt der Medien geworden. Den Humor hat sie nicht verloren. Und das Publikum dankt es ihr. Damals wie heute.
VIENNARAMA-Fazit: Wer einen unterhaltsamen Abend in wohliger Atmosphäre genießen will, ist hier absolut richtig! Das Arrangement aus Schauspiel und Konzert ist stimmig und ausgewogen und Susanne Rader überzeugt mit Mimik und Tonus ihrer Stimme. Für kritisch eingefleischte Marlene Dietrich Fans mag die gesangliche Darbietung manchmal aufgrund der leicht zurückgenommenen Stimmstärke nicht an die Essenz des Originals herankommen. Doch eine Legende darf auch nicht perfekt kopierbar sein.
Theater-center Forum
Porzellangasse 50
1090 Wien
Weitere Informationen
Vorstellung täglich bis 16. Jänner 2016
19:30 – 21:50 Uhr
Foto-Credits: MusikTheater Brandenburg e.V.; frautod.myblog.de; mp3xl.net
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