Als bekennender Fan der zeitgenössischen Kunst lässt sich VIENNARAMA-Redakteurin Marlene nicht lange bitten, wenn die Albertina zur neuen, zweistöckigen (!) Ausstellung lädt. Ein Ausschnitt aus 10.000 Neuerwerbungen soll es sein. Wir sind gespannt und steigen erst die Treppen empor, bevor es ins Untergeschoß geht.
Mit der Gesellschaft müssen sich auch die Museen ändern!
Bevor wir uns den Bildern zuwenden, wenden wir uns allerdings einer der schönsten Männerstimmen Wiens zu: jener von Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder. 300 Werke sind es, die aus 10.000 Ankäufen und Schenkungen der letzten 18 Jahre ausgewählt wurden. Ein willkürlicher Querschnitt durch die zeitgenössische Kunstszene, der allerdings zeigt, was uns nicht immer bewusst ist: Die vorherrschende Norm, das „Wie man sich zu verhalten hat“ weicht einer Individualisierung, die auch in der Kunstszene für ein wildes Potpourri sorgt.
Die das Höschen herunterzieht
Thematisch kuratiert, stehen wir im ersten Raum dem Akt gegenüber. Ob pornografisch-voyeuristisch wie in den Tuschebildern der Nicole Wittenberg, oder die Rolle der Frau reflektierend, wie in den aussagekräftig fragilen, großformatigen Zeichnungen der Sevda Chkoutava – man merkt, dass Frauen lange nur Objekt der männlich dominierten Kunst waren und nun für die Künstlerinnen Nachholbedarf in der Aufarbeitung herrscht. Im Kontrast dazu der nächste Raum: Gewichtige, politische Auseinandersetzung wird im spielfigurähnlichen Abriss von Lenins Statuen (Anna Jemoloewa) und in politischen Cartoons, die Kinderbuchillustrationen ähneln (Pavel Pepperstein), erfahrbar.
All inclusive
Ob Collagen, die amerikanisch-verkitschte Starletts neben Vintageschriftzüge wie „Bullshit“ setzen (Jack Pierson), surreal-phantastische Bleistiftzeichnungen von riesigen Kindsköpfen und dem Innenleben von Tieren (Stefan Zsaitsits) oder schließlich minimalistisch-geometrisches Spiel mit Farben und Formen (Donald Judd). Wir haben das Gefühl, alles, was es in der Kunstgeschichte bisher gab, prasselt hier in multiplizierter Weise auf uns ein. Ein Feuerwerk an Ideen und Techniken, wie auch unsere verzückte Entdeckung des Begriffs „Zuckeraussprengaquatinta“ beweist. Aber das ist noch lange nicht alles.
„Kunst ist für mich eine Waffe, mit der ich zurückschlage.“
Neben diesem Zitat warten auch die unheilvollen, hyperrealistischen Gemälde von Gottfried Helnwein im Untergeschoß auf uns. Von seiner zähnebleckenden Pink Mouse 2 (2016, Beitragbild) ist es nur ein Sprung zur Pop Art Roy Liechtensteins und Tom Wesselmanns, den glatten – und faszinierenderweise genau deshalb tiefen – amerikanischen Gesellschaftsmotiven von Alex Katz und dem Pionier der Reproduktion: Andy Warhol. Besonders spannend sind für uns jedoch unbekannte Werke wie die des Johannes Deutsch, der sich mit „Computer-Raumschichtenbilder“ auf neues Terrain begibt, die uns in ihren Bann ziehen. Zuletzt graut Arnulf Rainer in seiner „Schleierbilder“-Serie alles aus und zieht so den malerischen Vorhang der Ausstellung wieder zu.
VIENNARAMA-Fazit: „Hier ist für jeden etwas dabei“ bekommt in dieser Ausstellung eine neue Bedeutung. Ob Kunstkenner oder Kleinkind – auf zwei Stockwerken gibt es so viel Unterschiedliches zu sehen und zu bestaunen, dass man die Ausstellung auf jeden Fall bereichert verlässt. Umso wichtiger ist die bedachte Kuratierung, die einen trotz der Masse an Eindrücken an der Hand nimmt. Sehr empfehlenswert!
LOOK! New Acquisitions – zu sehen bis 08.10. in der Albertina!
Albertinaplatz 1
1010 Wien
Täglich 10:00-18:00
Mittwoch: 10:00-21:00
Fotocredits: Marlene Winter
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