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Wir hatten ihn alle schon mal – einen richtigen Scheißjob. So auch Ralph Stieber. Er hatte sogar so viele, dass er am Ende ein Buch über seine Erfahrungen geschrieben hat. Aber auf den 386 Seiten seines Werks „HOW TO SURVIVE SCHEISSJOBS“ sind nicht nur Anekdoten seines eigenen Berufslebens verzeichnet. Wir haben den Berliner Autor im Museumsquartier auf einen Cappuccino getroffen.

„Es ist immer wieder Zeit, das Wort ‚Scheiße‘ zu betonen.“

Unseren Versuch, zu zählen, wie oft das Wort „Scheiß“ in Ralph Stiebers zweitem Buch vorkommt, haben wir schnell wieder aufgegeben. So witzig der Titel auf den ersten Blick scheinen mag, man sollte sein Augenmerk doch auch auf den Untertitel legen – „Wie man die miesesten Jobs überlebt und den Traumberuf findet“ – denn er verrät den tieferen Sinn des Buches. Während unseres Interviews mit dem Autor stellen wir fest: der Mann hat eine Mission. „Ich glaube, es ist im Grunde immer wieder einmal Zeit, das Wort ‚Scheiße‘ zu betonen und über Scheißjobs zu reden. Es gibt genug Leute, die diese Jobs machen, aber wir sprechen viel zu selten darüber!“, erklärt uns der tätowierte Autor mit einem schelmischen Grinsen. Eines ist klar – der Titel ist eine Ansage, und wer sein Buch eben so „tauft“, der muss sich auf viele Fragen von uns gefasst machen. Hat er gemacht, der Ralph Stieber, und es sogar geschafft, einige unserer kritischen Gedanken souverän aufzulockern. Eines also vorweg: zum Nachdenken regt das Buch auf jeden Fall an.

Von Barkeepern, Aktmodellen, Tellerwäschern &  Taxifahrern

Das Werk, dessen Titelbild Ralph Stieber selbst bei der Ausführung seiner „Scheißjobs“ zeigt, gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil führt den Leser in die Welt der Scheißjobs ein. Unter dem Titel „Scheißjobs und wie du sie überlebst“ berichtet der Autor vom Alltag des Barkeepers, Aktmodells, Tellerwäschers, Taxifahrers, Kindermädchens bis hin zu dem des Rockstars. Für jeden Job werden Vor- und Nachteile aufgelistet, praktische Tipps und ein Fazit gegeben. Zu lesen sind die Berichte meist mit einem Augenzwinkern. Viele Jobs hat Ralph Stieber selbst gemacht, die anderen hat er mit Hilfe von Interviews rekonstruiert. Missen möchte er aber keinen, denn im Nachhinein sind sie dann oft gar nicht mehr so scheiße, sondern wertvoll, und haben ihn immer wieder einen Schritt näher zu seinem Traumberuf gebracht: dem Schreiben.  Hätte er all diese Jobs nicht gemacht, gäbe es zudem auch nicht bereits sein zweites Buch.

„Die ganzen Scheißjobs haben zu meinem Traumjob geführt – es hat eben länger gedauert, um dahin zu kommen.“

Doch was macht einen Scheißjob zu einem Scheißjob? „Man muss unterscheiden. Es gibt Scheißjobs, wo man ein Ziel am Ende hat, beispielsweise ein Nebenjob während dem Studium. Aber wenn man die lange macht und jeden Tag mit gesenktem Kopf zur Arbeit geht, unglücklich und schlecht gelaunt ist und man weiß, es wird sich nichts von selbst verändern – dann wird es Zeit, etwas zu ändern, damit man wieder glücklich wird“, lässt uns der Autor wissen. Er selbst hat in seinem Job in der Werbung gemerkt, dass sich etwas ändern muss. Und das hat er auch getan.

„Man kann aus jedem Scheißjob was ziehen.“

Klingt leichter als es ist. Fehlt der Mut? Sind wir zu gemütlich? Beides bejaht Ralph Stieber. Zudem nimmt er die Angst der Menschen wahr, zu alt für einen Wechsel zu sein. Angst vor einem vermeintlich schlechten Eindruck, den viele Jobs in der Vita machen. Doch der Autor gibt den Ausblick, dass wir uns in einem Wechsel befinden und in anderen Zeiten leben, wo dies kein Nachteil sein muss. „Es ist besser, wenn du noch im Alter von 60 Sachen ausprobierst und dann vielleicht weißt, was du machen möchtest, das du dann verfolgen und zum Beruf machen kannst. Vielleicht verdienst du dann am Anfang weniger Geld, aber dafür bist du die restliche Zeit deines Lebens glücklich!“ Sich nicht zufrieden geben, dass man unglücklich und traurig ist – das ist die Vision von Ralph Stieber. Dass es auch viele Stars gibt, die zunächst nicht in ihrem Traumberuf gearbeitet haben, beschreibt der Autor im zweiten Kapitel „Scheiß auf den Scheißjob – Porträts“. Sylvester Stallone. Gwen Stefani. Tom Waits oder Oprah Winfrey. Sie alle finden sich in der Liste wieder. In Teil Drei werden „Die allerbeschissensten Jobs der Welt“ und quasi als positiver Abschluss „Die vielleicht coolsten Jobs der Welt“ beschrieben.

„Wir müssen einfach mehr Mut haben.“

Doch leugnen kann man eines nicht: Es gibt tausende Menschen, die jeden Tag in diesen vermeintlichen Scheißjobs arbeiten. Hatte er in dem Prozess nie Angst gehabt, Menschen auf den Schlips zu treten? „Ich habe mir auf jeden Fall Gedanken darüber gemacht. Mit dem Buch wollte ich nicht provozieren, sondern ein Buch machen, das die Welt aufzeigt. Ich wollte nicht nur ein Buch über ‚Scheißjobs‘ machen, sondern ich versuche aufzuzeigen, dass du deinen Schießjob auch zu deinem Traumjob machen kannst. Genau das will ich kommunizieren, man sollte die Scheißjobs mit einem Augenzwinkern betrachten.“

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Mit Kapiteln wie „Wie du als Stripteasetänzerin/Stricher/studentische Prostituierte überlebst“ spricht Ralph Stieber Tabuthemen an. Wir müssen zugeben, bei so mancher Formulierung haben wir schon Schlucken müssen und uns gedacht: Kann man das machen?  Wir haben ihn natürlich gefragt: Kann man das machen, Ralph Stieber? „Man sollte das alles entspannt sehen, weil die beschriebenen Jobs gibt es und sie boomen teilweise, wie eben studentische Prostituierte. Sowas passiert ganz viel und es ist schade, dass noch nicht so offen darüber gesprochen wird und es kann ein ganz ‚okayer‘ Jobs sein und genauso wollte ich darüber schreiben. Wir reden immerhin vom ältesten Gewerbe der Welt und behandeln es nicht so – das ist schade.“ Auf alles hat er eine Antwort, dieser Ralph Stieber.

„Es ist nie zu spät, unseren Traumjob zu finden!“

Wir stellen fest, dass wir uns den Autor, der vor uns von seinem Cappuccino trinkt, bei der Vorbereitung auf dieses Interview nicht so tiefgründig vorgestellt haben. Denn das Buch liest sich flott, frech witzig und an mancher Stelle auch provokant. Aber vor uns sitzt ein Mann, bei dem wir den Eindruck haben, dass er mit dem Buch die Welt ein Stück besser machen will. Menschen Mut machen, ihnen ein Ratgeber sein. War genau das das Ziel? Was will er beim Leser bewirken? „Das beste Beispiel ist schon eingetreten. Ich habe eine Mail bekommen von einem Typen, der seinen Job gekündigt hat, nachdem er das Buch gelesen hat und jetzt macht, was er wirklich machen will. Da hoffe ich, dass für ihn alles klar geht (lacht). Sowas ist natürlich extrem. Worüber ich mich freuen würde, wäre, wenn gerade Menschen, die oft mit dem Gedanken spielen den Job zu wechseln, sich intensiver Gedanken machen. Sich fragen: Soll ich nicht mal weitergucken? Wenn ich solchen Menschen helfen kann, dass sie sich ausprobieren – das wäre mein Ziel. Das Minimum ist, dass sich Menschen gut unterhalten fühlen, wenn sie das Buch lesen.“ (lacht).

„Wenn er dich glücklich macht, ist das das Wichtigste.“

Und glücklich macht bekanntlich jeden etwas anderes. Ralph Stieber will auf keinen Fall urteilen oder Jobs schlecht reden, denn seine Formel ist: Gut ist, was glücklich macht. „Dann kommt man auf das größere Bild, dass ein Job sich im besten Fall nicht wie Arbeit anfühlt, sondern Sinn und dich glücklich machen kann. Wenn nicht unbedingt glücklich, dann aber nicht unglücklich – dann bist du schon am besten Weg. Weil es ist immer blöd, nach Hause zu kommen und das Leben und den Job zu hassen. Dann kannst du ja auch machen, was du willst, solange es dich glücklich macht.“ Das wären für diese Portrait eigentlich schon gute Schlussworte. Der Autor hat aber noch eine Nachricht, die er mit der Welt teilen möchte: „Mein Fazit ist, dass Scheißjobs die Schule des Lebens sind und zum Traumjob führen können, und das sollte man sich bewusst machen, dass es nicht umsonst ist. Für die Leute, die ganz klar sagen ‚Ich will nicht studieren, ich will nicht Manager oder Star werden – ich will einfach in einem Fast-Food-Lokal arbeiten, mein Leben leben und Spaß haben!‘ ist es auch kein Scheißjob. Das ist dann total in Ordnung.“

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Wir bedanken uns bei Ralph Stieber für das nette Gespräch und schauen mit einer gewissen Gelassenheit in unsere Zukunft. Wer weiß, wo(zu) uns unser nächster Scheißjob hinträgt und inspiriert.

Wir haben das Wort „Scheiß“ in diesem Artikel übrigens 25 Mal verwendet. Nur falls jemand nachzählen wollte – wir gehen uns jetzt den Mund auswaschen.

Infos

Wer noch mehr über Ralph Stieber und sein Projekt lesen möchte, sollte auf seiner Homepage vorbeischauen. Und wer seine eigene Ausgabe „HOW TO SURVIVE SCHEISSJOBS“ gewinnen möchte, der sollte am Montag unbedingt bei uns auf Facebook vorbeischauen!

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Ralph Stieber
HOW TO SURVIVE SCHEISSJOBS
Wie man die miesesten Jobs überlebt und den Traumberuf findet

Mit Illustrationen von Jana Moskito
392 Seiten | Taschenbuch
ISBN 978-3-86265-601-1
9,99 EUR (D) 
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2016
www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

Fotocredits: Annika Damaschke & Anne Kurras

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