Nicht eine – nein, mehrere Etagen des mumoks sind dieser Tage von einem Mann besetzt: Július Koller. Ein Name, den man eventuell noch nie gehört hat. Umso schöner, dass man sich nach der Ausstellung denkt: Warum eigentlich nicht? VIENNARAMA gewährt einen Einblick in die „One Man Anti Show“.
Das große ? des Lebens
Ein Mann. Eine Brille. Ein Fragezeichen. Das ist Július Koller. Der slowakische Künstler blickt aus seinen Fotografien wie aus einer anderen Welt. Aufgenommen auf dem Balkon seiner Wohnung, sind sie Präsentationsfotos – des Künstlers selbst, und seiner (Anti-)Kunst. In seinen Händen hält er auch das Fragezeichen, dem man bald durch sein Werk und die Etagen des mumoks folgt. Ein Symbol, das einfacher und komplexer nicht sein könnte. Zum Glück müssen wir keine theoretischen Texte darüber lesen. Die großartig kuratierte Ausstellung bringt einem Július Koller und sein Denken auf spielerische Weise näher. So auch durch den Grundriss seiner Wohnung, der am Boden einer der kollerbesetzten Etagen nachgezeichnet ist und ein seltsam menschennahes Gefühl zulässt.
Die Kunst des Ping-Pongs
Spielerisch ist eines der Stichworte, das auch Kollers Kunst treffend beschreibt. Spielerisch will er Gefestigtes aufbrechen, Gedanken aufrütteln, zerlegen und in Material und Umgebung umsetzen. Auch der J.K. Ping-Pong Club, den er 1970 in Bratislava als Einzelausstellung in einer Galerie einrichtete, ist simpel wie genial, wenn man den Grundgedanken kennt: Ping-Pong folgt festgesetzten Regeln, an die sich die Spieler halten müssen. Hinsichtlich der Endzeit des Prager Frühlings und dem eingeleiteten Demokratisierungsprozesses forderte Koller 1970 Besucher dazu auf, mit anderen Besuchern zu spielen.
Fair-Play. Mit diesem Gedanken lädt auch das mumok jeden Donnerstag zum Spiel. Keine Kunst? Unser Blick auf die von Koller entarteten Tischtennistische, die plötzlich mit Absperrband oder mit einer Barriere aus Tageszeitungsstapeln versehen sind, ist jedenfalls mit diesem Hintergrundwissen ein anderer – und leider auch politisch aktuell.
Schwebende Bilder und U.F.O.
1970 war auch das Jahr, in dem Koller U.F.O. (universell-kulturelle futurologische Operationen) als Begriff, Manifest und Thema seiner Kunst einführte. Ein Überthema ist bei Julius Koller stets angebracht, denn eines wird schnell klar: Der Mann hat viel gedacht, gesammelt und produziert. Fotos, Bilder, Happenings, modifizierte Verpackungen, eine Leinwand, die mit einem sie umschließenden Hemd zum neuartigen „Kunstträger“ wird, ein Fragezeichen im Sand eines Tennisplatzes. Julius Koller lebte Kunst. Ein schneller Denker mit Humor. „ANTI-OBRAZ TEXTEXTIL“ steht da auf einem Gewebe, das an Schnüren aufgehängt ist. Aber auch nur Obraz (slowak. für „Bild“) wird auf verschiedensten Untergrund gefettet – und eben als Bild aufgehängt.
Universale Fragen-Olympiade
Ja, auch dafür kann U.F.O. stehen. Denn Július Koller legt sich in keinster Weise fest. Seine Gedanken sind frei, und frei von Anspruch. So auch die mit Faserstift kreierte Ankündigung der Universalen Fragen-Olympiade (1980) mit Disziplinen wie „Kunst oder Mystifizierung?“, „Kultur oder Manipulation?“ oder „Information oder Reklame?“. Auch hier wieder das Fragezeichen, das Koller wortwörtlich in jedes Feld führt. Politisch, kulturell, kindlich. Warum ist das so? Ist das wirklich so? Das sind Fragen, die Koller zu stellen scheint. Eine Antwortmöglichkeit wird oft schon durch die künstlerisch aufbereitete Frage gegeben. Gleichzeitig bleibt es dem Besucher überlassen, ob er lieber fragend staunt, nur schaut oder sich selbst eine Antwort überlegt.
VIENNARAMA-Fazit: Als Kunstgedankenfreund muss man Július Koller einfach lieben. Aber nur dann, wenn man gerne selbst seinen Beitrag bei der Betrachtung leistet. Július Koller stößt die Kugel an, den „Strike“ muss man aber selbst sehen wollen und können. Kurz: Genial, aber am anderen Skalenende von Raffael. (Tipp: Ganz oben beginnen und die Etagen nach unten hin durchgehen.)
Július Koller: One Man Anti Show – bis 17. April im mumok
Museumsplatz 1
1070 Wien
Weitere Informationen
Ping-Pong spielen: Jeden Donnerstag von 18 bis 21 Uhr
Foto-Credits: Július Koller, mumok (Stephan Wyckoff)
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