„Mehr als nur Worte.“ Für Schreiberlinge wie uns ist der Titel der aktuellen Ausstellung der Kunsthalle ja schon beinahe ein Affront. Gut, dass es einen versöhnlichen Subtitel gibt: „Über das Poetische.“ Wir sind also gespannt, was uns erwarten wird – VIENNARAMA-Redakteurin Marlene berichtet. In Wort und Bild.
Baustelle & Liegengebliebenes
Es wäre nicht die Kunsthalle, wenn uns nicht etwas derart Zeitgenössisches begrüßen würde, dass wir es nicht sofort als Kunst erkennen würden. Passend dazu steht die Frage „Was macht eine verbale Botschaft zu einem Kunstwerk?“ von Roman Jakobson im Raum. Rein ideell, versteht sich. Was manifest im Raum steht, sind die Glasfaserkabelskulpturen von einer Berliner Künstlerin – die wir glatt als liegengebliebene Stoffreste verkannt hätten. Auch die Techniker am Gerüst, die Neonröhren austauschen, hätten wir nicht sofort als Teil der Ausstellung, sondern der Vorbereitung angesehen. Aber mit Worten kommt bekanntlich auch Klarheit in die Kunst.
Kommunikation mit Perspektive
Glasfaserkabeln. Das unterirdische Nervensystem des Internets. In verschiedene klumpen- bzw. gedärmartige Gebilde verdichtet, verstehen wir nun die Intention der Materialisierung der modernen, flüchtigen Kommunikation von Nina Canell („Shedding Sheaths“, 2016). Und auch „Rose light to white light to rose light over and over by hand“ von Jason Dodge ist mit Titel schon besser als Aktionskunst zu begreifen. Man sieht die Kunstwerke also in einem anderen Licht, beinahe wie durch die rosarote Brille. Übrigens: Auch die Techniker sind sehr sympathische, kommunikative Menschen, die ihre Aufgabe mit Bedacht verrichten und hier ihren Teil zur Kunst beitragen.
Von Mensch, Tier und Maschine
Jeder Körper kann kommunizieren. Diesen Eindruck gewinnen wir zunehmend. Im Video „Glossolalia“ (2014) von João Maria Gusmão und Pedro Paiva zum Beispiel anhand eines Papageis. Er sieht uns leidend an, dann wieder bedeutungsschwanger, als wüsste er etwas, das wir nicht wissen. Schließlich öffnet er seinen Schnabel – wir sind gespannt – doch es bleibt ein stummer Schrei. Was hätte er uns gesagt? Auch zwei Morselampen scheinen sich im dunklen Raum über Lichtsignale zu unterhalten. Und tatsächlich: ENDLICH ZU ZWEIT. ENDLICH ZU DRITT. usw. bis zu 11 Milliarden ist ihr von Elisabetta Benassi zugedachtes Gesprächsthema. Dass John Baldessari im Video einer Pflanze das Alphabet lernen möchte, überrascht uns nun schon fast nicht mehr.
AdWords vs. Icons
Eines unserer Lieblingswerke dieser Ausstellung ist ein Video: „Life in AdWords“ (2012-13) von Erica Scourti, eine Art Videotagebuch. Sie rezitiert Gefühle, Symptome, Erlebnisse in Schlagworten mit Werbecharakter – AdWords eben. „Teacher. Kicked in the Balls. How to build self-confidence. Stress. Burnout. Sleep deprivation. Pills.“ oder ähnliche Wortgruppen erzählen eine Geschichte, die Raum für Fantasie lässt. Natalie Czech wiederum setzt Icons wie Puzzlestücke in Fotografien ein, wodurch das Blatt Papier mit der umgeknickten Ecke schnell mal zum Kragenteil eines Hemdes wird („Paper Draft“, 2015), gleichzeitig aber als Reinigungszettel fungiert, auf dem Titelideen wie „A Preview (Epson Scan 3.9.2)“ oder „A Blank Page (Microsoft Word 14.0)“ vermerkt sind.
VIENNARAMA-Fazit: Eine kurzweilige Ausstellung, die Konzeptkunstfans und Freunden des Zeitgenössischen eine Freude sein wird. Dank der überschaubaren Größe kann der Besucher selbst entscheiden, wie weit er in die Materie eintauchen möchte. Wer Zeit hat, wird vielleicht den beinahe meditativen Charakter des Rhythmischen in einigen der Installationen und Videos wiederfinden, den wir besonders genossen haben!
Mehr als nur Worte [Über das Poetische] – bis 07.05.2017 in der Kunsthalle Wien
Museumsplatz 1
1070 Wien
Täglich 11 – 19 Uhr
Donnerstag 11 – 21 Uhr
Fotocredits: Kunsthalle Wien; Courtesy die Künstlerin und Magazzino, Rom; Courtesy Electronic Arts Intermix (EAI), New York; Bildrecht, Wien, 2017, Courtesy Kadel Willborn, Düsseldorf und Capitain Petzel, Berlin
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