Poussin bis David Ausstellungsplakat

Poussin bis David. Barock und Rokoko. Das ist die kunstgeschichtliche Zeitspanne, die uns die Albertina dieser Tage im obersten Stockwerk zu Gesichte führt. Wenn wir wollen. Und wir wollen. VIENNARAMA-Redakteurin Marlene hat sich einer ihr weniger geläufigen Ära Frankreichs gewidmet.

 

67 aus 2800
Nein, das ist kein maßstabsentfremdetes Lotto 6 aus 45, sondern die Anzahl der Bilder, die ausgewählt werden mussten. Der Gründer der Albertina, Herzog Albert von Sachsen, dürfte demnach sehr fleißig gewesen sein. Eine Sammlung von 2800 Zeichnungen anzulegen kostet schließlich auch Zeit. Die sollte man sich auch nehmen, um die Ausstellung zu erkunden – denn es gibt vieles zu erfahren, das man nicht nur aus den Bildern lesen kann.

Jean-Honoré Fragonard, "Das Mädchen mit dem Murmeltier", 1780er Jahre
Jean-Honoré Fragonard, „Das Mädchen mit dem Murmeltier“, 1780er Jahre

Zeichnen mit Wasser
Wie bereits im Titel angekündigt, ist der erste Raum unter anderem für Nicolas Poussins mythologische und religiöse Motive reserviert. Hier werden wir bereits in die wichtigsten Werkzeuge des 17. und 18. Jahrhunderts eingeführt: Grafit, Feder und Rötel. Die Farben beschränken sich demnach meist auf Schwarz, Braun, Rot und Weiß. Die Lavierung, die wir in „Zwei Birken, die vordere abgebrochen“ (ca. 1645) kennenlernen, ist eine Art Aquarellisierung harter Linien, und wird uns auch in den weiteren Räumen begleiten.

Nicolas Poussin, "Blick auf das Tibertal mit dem Ponte Molle", um 1624
Nicolas Poussin, „Blick auf das Tibertal mit dem Ponte Molle“, um 1624

Ist das Kunst oder kann das weg?
Auch Claude Lorrain ist anfangs ein Name, der uns nichts sagt. Dabei – so erfahren wir – ist es vor allem sein Verdienst, dass die Zeichnung in Frankreich als eigenständige Kunstform anerkannt wurde. Davor dienten Zeichnungen nur als Skizzen und Studien. Um 1700 finden wir Hyacinthe Rigaud, der als Hofmaler die französische Porträtkunst begründete. Das Porträt eines Feldmarschalls beeindruckt uns am meisten – es ist so realistisch, dass man meinen könnte, ein S/W-Foto vor sich zu haben.

Hyacinthe Rigaud, "Porträt eines Maréchal de France", um 1740
Hyacinthe Rigaud, „Porträt eines Maréchal de France“, um 1740

Parties & Gspusis
Auch wenn die Zeit eine andere war: der Mensch war immer Mensch. Und so setzte Jean-Antoine Watteau ab dem 18. Jahrhundert die „Fêtes galantes“ ins Zentrum seiner szenischen Malerei: Das heißt aufgebrezelte Liebespaare in verträumten Landschaften beim Gespräch, Tanzen oder Musizieren. Für erotischere Darstellungen mussten Maler wie François Boucher damals noch auf die Tarnung durch Putti und weibliche Akte der Mythologie (Göttin Venus, Nymphen etc.) zurückgreifen.

Jacques-Louis David, "Die Kämpfe des Diomedes", 1776
Jacques-Louis David, „Die Kämpfe des Diomedes“, 1776

Zurück zur Moral
Wie immer, wenn das Pendel in die eine Richtung ausschlägt, schlägt das Imperium zurück. Und so ging der Müßiggang des Rokokos in die strenge Linie des Klassizismus über, als dessen Begründer Jaques Louis David gilt. Die Kunst ist nun von einer klaren Formensprache geprägt. Dies und der erneute Fokus auf biblische Szenen bringen uns gedanklich zum Anfang der Ausstellung zurück. Trotzdem kann man sehen, dass Jean-Baptiste Greuze hier nun schon ein weiteres Stück Kunstgeschichte in seinen Bildern einarbeitet. Die „Kopfstudie eines lächelnden Mädchens“ könnte man mit Rubens verwechseln – als Nachzügler der italienischen Meister haben sie am Ende der Ausstellung also definitiv aufgeholt.

Jean-Baptiste Greuze, "Kopfstudie eines lächelnden Mädchens", um 1765
Jean-Baptiste Greuze, „Kopfstudie eines lächelnden Mädchens“, um 1765

VIENNARAMA-Fazit: Wer Zeichentechnik auf höchster Stufe, ob als Landschaft, Porträt, melancholischer Ruine oder biblischer Szene etwas abgewinnen kann, der sollte sich diese Ausstellung nicht entgehen lassen. Selbst die Zeichenstudien dieser Zeit stellen vollendete Zeichnungen von heute in einen beschämenden Schatten.

Poussin bis David – zu sehen bis 25.04. in der Albertina!

Albertinaplatz 1
1010 Wien
Täglich 10:00-18:00
Mittwoch: 10:00-21:00

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