Mit der neuen Ausstellung „Ganz Wien. Eine Pop-Tour“ hat sich das Wien Museum das ehrgeizige Ziel gesetzt, einen möglichst komprimierten Gesamtüberblick über die Wiener Pop-Kultur der letzten 60 Jahre zu geben. Ob es diesem Anspruch gerecht wird – darüber berichtet VIENNARAMA.
Nehmen Sie hoch das Bein, treten Sie ein!
Der Streifzug durch die erfolgreiche Austro-Musikgeschichte beginnt in den großzügigen Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Museums. Von Helmut Qualtinger über Georg Danzer und „Drahdiwaberl“ landet man schließlich in der Gegenwart bei Wanda oder Bilderbuch. Der Rundgang führt über zehn multimediale Stationen von den 50er Jahren bis in die 2000er. Die Protagonisten werden über unbekanntes Archivmaterial, Videos, Musikinstrumente oder Bühnenoutfits ins rechte Licht gerückt.
Aufbruch in neue Zeiten
Erste Impulse für die neue österreichische Jugendkultur gab unter anderem das Lokal „Strohkoffer“. Auch Helmut Qualtinger, der Figuren wie den „Halbwilden“ erfand, konnte sich hier immer wieder kreativ auf der Bühne ausleben. Eine neue Pop-Kultur konnte entstehen, in den folgenden Jahren wurde diese unter anderem von Hannes Patek weiterentwickelt. Der Hotspot dieser Kulturszenerie war der „Star Club“, der in späteren Zeit vom „San-Remo-Club“ in der Neubaugasse abgelöst wurde.
Es wird professionell
Die Tour geht weiter bis in die Mitte der 1960er Jahren, in denen mit der Gründung von Ö3 eine Rundfunkreform stattfand. Angelehnt an Radio Luxemburg verschrieb sich der Sender der neuen Jugendkultur und spielte erstmals die ungewohnten, teilweise psychedelisch anmutenden Sounds und verstand sich somit auch als Promoter von neuer Musik.
Hotspots der Wiener Pop-Kultur
Als weiterer Dreh- und Angelpunkt konnte in den Jahren darauf das Lokal „Atlantis“ angesehen werden, das sich vor allem als Bühne für „Unplugged“ präsentierte. Daneben erlebte auch das Vergnügungszentrum „Metropol“ einen Aufschwung. Dieses bot unter anderem der „Hallucination Company“, der auch Hans „Falco“ Hölzel angehörte, einen geeigneten Ort zur (gewagten) Selbstdarstellung. Nicht zuletzt ist in diesem Kontext ebenfalls das „Fluc“ zu nennen, das bis heute ein Fixpunkt der Wiener Nacht- und Musikszene mit gratis Konzerten und Partys ist.
Hausgemachte Musik
In den 1990er Jahren etablierte sich schließlich der Begriff der so genannten „Bedroom Rockers“. Darunter verstand man Produzenten, die in ihren Wohnräumen mithilfe von diversen Aufnahmegeräten neue Sounds „zusammenbastelten“. Es entstand jene neue Strömung, die bekannt wurde unter dem Namen „Vienna Downtempo“ oder „Vienna Electronica“. Getragen wurde diese Entwicklung hauptsächlich von dem Duo „Kruder und Dorfmeister“, deren „Studio“ als Reproduktion ebenfalls Teil der Ausstellung ist. Nach dem langsamen Verblassen des neuen Elektrosounds war es das Duo „Pulsinger & Tunakan“, das mit „Cheap Records“ neue Trends schuf.
Subventionierte Subkultur
2010 ging erstmals das Popfest am Karlsplatz über die Bühne, das als „kulturpolitische Entscheidung“ angesehen wurde. Österreichs Undergroundkultur wird hier vom „Establishment“ geduldet und subventioniert. Dies geht Hand in Hand mit der geistigen und sozialen Mobilität der (jungen) Musiker, die ihr künstlerisches Können an unterschiedlichen Orten der Stadt, wie dem B72 oder dem Theater am Spittelberg, unter Beweis stellen. Das Popfest fungiert bis zum heutigen Tag jährlich als jener Ort, der die heterogenen, oft unvereinbar scheinenden Klangentwürfe zu einem homogenen Ganzen vereint.
VIENNARAMA-Fazit: In der Ausstellung wird versucht, die gesamte österreichische Pop-Geschichte von den 1950er bis heute nachzuerzählen. Wie schon in der letzten Schau über das Falter Archiv wählt das Museum auch dieses Mal einen multimedialen Ansatz. Leider wirkt der dunkle Raum durch die Stationen inklusive Beschreibung, Musikstücke oder Videos teilweise ziemlich überladen und dies kann schnell zur Reizüberflutung führen. Außerdem war es oft nicht ersichtlich, welchem „Punkt“ die dargestellten Künstler zugeordnet sind. „Ganz Wien“ ist zwar durchaus interessant gestaltet, gut durchdacht und informativ, man benötigt jedoch viel Zeit und Konzentration, um der Pop-Tour bis zum Ende zu folgen.
„Ganz Wien. Eine Pop-Tour“ – noch bis 25. März 2018 im Wien Museum!
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