Schwarz-Weiß-Fotografie hatte schon immer einen besonderen Platz in unserem Herzen. Darum lassen wir uns wieder einmal von der fotografischen Seite der Albertina, genaugenommen von Robert Frank, überraschen. VIENNARAMA-Redakteurin Marlene berichtet.
Die Nähe zum Geschehen
Robert Frank heißt der Mann, der zu den wichtigsten Revolutionären der Reportagefotografie des 20. Jahrhunderts gehören soll, wie wir beim Betreten der ebenerdigen Räumlichkeiten der Albertina erfahren. Doch wie so oft in der Kunst war auch er lange Zeit verkannt, wenn nicht gar verpönt. Zu modern war sein Ansatz, wie man retrospektiv angibt, zu „schludrig“ vielleicht, wenn man sich in den Standard der damaligen Zeit hineindenkt. Der gebürtige Schweizer fotografiert intuitiv, teils verschwommen und ohne durch den Sucher zu blicken, zum Beispiel von der Hüfte aus. Umso kritischer ist sein Blick und umso radikaler geht er in der Selektion seines Materials vor.
Heimatlosigkeit vs. Nationalismus
Sein Ansatz ist ein dokumentarischer, seine Momentaufnahmen sind schonungslos. Der Sohn einer deutsch-jüdischen Familie erzählt Geschichten, die er nicht zufällig erzählt. So lichtet er früh Paraden ab – nationalistische Motive als Zeugnis seiner staatsbürgerschaftslosen Zeit bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Schon hier interessiert ihn der Kontrast: Grimmig dreinblickende, von Flaggen teils verdeckte Gesichter hinter grauen Fenstern. Der Müll, der von Festzügen verursacht wird und am nächsten Morgen ein trauriges Bild hinterlässt. In der Schwarz-Weiß-Fotografie von Robert Frank wird die Melancholie eines Augenblicks nahezu greifbar.
Unterwegs
1947 emigriert Robert Frank in die USA, wo er beginnt mit einer Kleinbildkamera zu fotografieren. Seine Bildsprache wird expressiver, noch einmal mehr dynamischer. Inhaltlich bleibt er seinem gesellschaftskritischen Fokus treu und rückt noch ein Stück näher an die Menschen heran. In „People You Don’t See“ (1951) zeigt er das Alltagsleben von sechs Personen in Manhattan, in London lichtet er arme und reiche Bevölkerung nebeneinander ab, und in Wales verdichtet sich sein Interesse auf den harten, dunklen Arbeitsalltag des Minenarbeiters Ben James (1953). Wir sehen durch die Augen des Fotografen: Ein Film in subjektiven Bildern, denen das Gefühl der Isolation anzuhaften scheint.
Highs and Lows
Die Werkgruppe „The Americans” (1955-57) – inklusive Vorwort von Jack Kerouac, mit dem er später die experimentelle Filmkunst erkundet – soll schließlich Geschichte schreiben. Doch während seines Roadtrips durch die USA weiß Robert Frank nur eines: Er muss tun, was er tun muss, entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeit auf Wertschätzung seines Ansatzes. Er zeigt die amerikanische Kultur, wie er sie sieht – inklusive Rassismus, Gewalt und Konsumverhalten. 80 Bilder wählt er aus stattlichen 27.000 Negativen für seinen Bildband aus. Seine Studie der Zivilisation wird allerdings erst als „Zeugnis von Boswilligkeit”, Frank als „Mann, der Amerika hasst” bezeichnet. Isolation und Tragik bestimmen auch sein Privatleben: Seine Tochter stirbt bei einem Flugzeugabsturz, sein Sohn begeht Selbstmord. Der Künsler selbst ist heute 93 Jahre alt und lebt in New York.
VIENNARAMA-Fazit: Eine wundervolle Ausstellung für alle Fans der Schwarz-Weiß-Fotografie. Die Ausstellung ist nicht zu groß und nicht zu klein, die Melancholie, die das faszinierende Werk umgibt, passt zum Wetter. Ein wundervolles November-Nachmittagsprogramm auch für alle, die sich an einer Prise Schwermut laben können.
Robert Frank – zu sehen noch bis 21. Jänner 2018 in der Albertina!
Albertinaplatz 1
1010 Wien
Täglich 10:00-18:00 Uhr
Mi & Fr 10:00-21:00 Uhr
Fotocredits: Marlene Winter
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